Räume, die jeden Geist einfangen
Kunst im Kloster muss bisweilen Mauern einreißen. Thomas Hessler baut daraus Räume für freie Gedanken.
Thomas Hessler hört, wie ein Raum zu ihm spricht. Dann erst fängt er an, sich um die Gestaltung des Raums zu kümmern, darüber nachzudenken, welche Rolle die Kunst in dem Raum spielen soll. „Hören ist das Wichtigste“, sagt er.
Künstler ist Hessler und Bruder Thomas ist er, Benediktinermönch im Europakloster Gut Aich in der Nähe von St. Gilgen. Seine Kunst entsteht in mönchischer Tradition. Sie sprengt aber alle konfessionellen Grenzen.
Ordensgemeinschaften seien in vielerlei Hinsicht „eine Erfolgsgeschichte und im Fall der Benediktiner gilt das seit 1500 Jahren“, sagt Hessler. Es habe auch Irrungen gegeben, doch grundsätzliche Ideen behalten ihre Gültigkeit. Wie in der Kunst ist das Überleben grundsätzlicher Prinzipien aber „nicht durch stures Festhalten an ewig gleichen Ansichten“möglich. „Wir müssen auf unsere Zeit reagieren, die Herausforderungen der Gegenwart annehmen.“Und eine dieser Fragen ist: Wie lässt sich künstlerisch zeitgemäß mit Spiritualität umgehen?
In der Kunst, die Hessler entwirft und umsetzt, schlägt sich diese Frage deutlich nieder. Herausragendes Beispiel dafür ist die Umsetzung eines Verabschiedungsraums im Klinikum in Wels. Da stehen Texte und Schlüsselworte aller abrahamitischen Religionen gleichberechtigt nebeneinander. Respektiert werden nicht allein religiöse Gefühle. „Es geht um einen Freiraum, in dem christliche, muslimische oder jüdische Rituale stattfinden können“, sagt Hessler. Seine Kunst (und die daraus wachsende Raumgestaltung) – schlicht gehalten und also offen für eigene Gedanken – arbeitet jenseits von Ideologie. Nichts Pompöses taucht da auf. Es ereignet sich keine Machtdemonstration, sondern ein bescheidener Akt der Besinnung jenseits konfessioneller Grenzen. „Sicher gibt es da und dort immer noch Betonköpfe, die nur ihre Welt sehen wollen – aber sie werden immer weniger“, sagt Hessler.
Was also sucht ein Mönch, wenn er Kunst macht, die sich nicht bloß an eine Glaubensrichtung wendet, sondern an alle Menschen? Er wolle „auf den Grundwasserspiegel der Spiritualität stoßen“– dorthin also, wo „das Gemeinsame liegt“. Auf dieser Basis spielen dann ideologische Ideen oder religiöse Zugehörigkeit keine Rolle. „Es geht immer ums Verbindende.“
So sollen „Räume der Heilung“entstehen, wie das sein Mitbruder David Steindl-Rast, ein weltweit renommierter spiritueller Lehrer, formuliert. Entstehen würden Hesslers Ideen „immer aus dem Hören – aus dem Zuhören und auch dem Insich-Hineinhören“.
Seit 2006 gibt es die Kunstwerkstätten im Europakloster Gut Aich, deren künstlerischer Leiter Hessler ist. Während sich viele Klöster immer mehr um die Vermittlung und Präsentation von Kunst kümmern, will man sie in St. Gilgen auch weiterhin entstehen lassen.
In benediktinischer Tradition wurden die Werkstätten zur Basis eines Netzwerks verschiedener Handwerke. „Aus dem Austausch wächst Kreativität“, sagt Hessler. Dutzende Projekte wurden schon verwirklicht. Ein Mahnmal für KZOpfer, Taufkapellen, Aussegnungshallen – für öffentliche Auftraggeber wird gearbeitet ebenso wie für Privatpersonen.