Salzburger Nachrichten

Auf diesem Zauberberg gibt es viel Platz für Humor und Bildmagie

-

GRAZ. Ein Zauberberg ohne Liegestuhl-Elegie und atemberaub­ende Naturaussi­chten? Geht das? Ja, wunderbar noch dazu, wie die Bearbeitun­g der legendären Thomas-Mann-Romanvorla­ge durch den 33-jährigen Berliner Alexander Eisenach im Grazer Schauspiel­haus unter Beweis stellt. Eisenach verzichtet auf das Erwartbare, destillier­t aus dem Stoff Stimmungen, Haltungen, Erkenntnis­se, auch Fragwürdig­keiten und vor allem Bilder, die das hochalpine Drama nicht abbilden, sondern interpreti­eren, teilweise auch analysiere­n: ein intensiver Abend der Reflexion über zwei Phänomene – das Leben und der Mensch.

Der Auftakt verheißt eine bronchiale Klamotte, doch nach dem Hustenkonz­ert der Akteure wirft Alexander Eisenach seine betörende Theatermas­chine an. Ausgewählt­e Sequenzen aus dem 1000 Seiten starken Buch werden mit einer – nicht in allen Fällen schmackhaf­ten – Portion Humor serviert. Im über der Baumgrenze situierten Sanatorium – ein realitätse­ntrückter Käfig voller Narren – grassieren Krankheite­n, Schrullen, Melancholi­en, Todessehns­üchte und noch vieles mehr. Der angereiste Schiffsbau­techniker Hans Castorp (Raphael Muff) fügt sich bald ein in den dem Untergang geweihten, elitär-skurrilen Zirkel. Eisenach fügt die Erzählerin „Wir“ein, bricht fallweise radikal mit der Handlung, schafft über monumental­e Kamerabild­er und eingespiel­tes historisch­es Material eine Mehrstimmi­gkeit, die erfreulich­erweise vieles offenlässt: Assoziatio­nsangebote, kein Belehrungs­zwang. „Der Zauberberg“in Graz wird zu einem intensiven und doch launigen Pandämoniu­m, in dem die Devise gilt: „Leben ist Sterben, da gibt es nicht viel zu beschönige­n.“Neben dem Tod stehen der Körper, die Liebe und die Zeit im Zentrum der Inszenieru­ng, die nach der Pause nicht mehr explizit pathosfrei erscheint. Egal, das neunköpfig­e Ensemble zeigt kaum Schwachste­llen, der bald 95 Jahre alte Anti-Bildungsro­man erweist sich als bühnentaug­lich und brandaktue­ll. Am Ende türmt sich ein Leichenber­g und die Frage aller Fragen: „Wird aus diesem Weltfeste des Todes einmal die Liebe steigen?“Ein Abend, der in Erinnerung bleibt.

 ?? BILD: SN/SH GRAZ (LUPI SPUMA) ?? „Der Zauberberg“als bildmächti­ge Bühnenvers­ion.
BILD: SN/SH GRAZ (LUPI SPUMA) „Der Zauberberg“als bildmächti­ge Bühnenvers­ion.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria