Franz Joseph war kein „Kriegsherr“
Das Vorhaben der SN, im kommenden Jahr in einer Sonderserie die Erste Republik wieder ins Bewusstsein zu rücken, verdient Beachtung. Einen gelungenen Einstieg stellt das Gespräch mit Prof. Karner über das Scheitern der Republik dar. Befremdlich fand ich jedoch die letzte SN-Frage, wieso weiterhin das Bild vom lieben alten Kaiser Franz Joseph dominiert und nicht das vom Demokratieverweigerer und Kriegsherren . . .
Kann man Franz Joseph so einfach als Demokratieverweigerer abtun? Immerhin hatte Österreich 1867 eine Konstitution erhalten (Dezemberverfassung), waren den Staatsbürgern die Grund- und Freiheitsrechte gewährleistet worden, war die Unabhängigkeit der Gerichte garantiert, gab es einen vorbildlichen Nationalitätenschutz. Dass das damalige Parlament, der Reichsrat, nur allzu oft ein klägliches Schauspiel lieferte und damit dem Parlamentarismus einen schlechten Dienst erwies, kann man das dem Monarchen anlasten?
Und Franz Joseph, der 1914 auf eine fast 50-jährige Friedensperiode zurückblicken konnte, als „Kriegsher- ren“zu bezeichnen ist mehr als zynisch.
Ja, er hatte sich die Zustimmung zur Kriegserklärung an Serbien abringen lassen, sein größter politischer Fehler. Aber hatte diese Entscheidung nicht die Zustimmung der Parteien und weiter Kreise der Bevölkerung gehabt? Halten wir fest: Er hatte nur eine Strafexpedition gegen Serbien sanktioniert. Dass daraus der Erste Weltkrieg wurde, dafür tragen andere Mächte die überwiegende Schuld. Dr. Rudolf Pöschl 5232 Kirchberg bei Mattighofen