Salzburger Nachrichten

Ärztinnen brauchen Kraftakt für gemeinsame Praxis

Immer weniger Ärzte wollen allein eine Praxis führen. Mittlerwei­le gibt es neue Wege der Zusammenar­beit. Die sind mitunter steinig.

- ANTON PRLIĆ

SALZBURG. Juliane Gruber kommt mit 25 Wochenstun­den aus. Die praktische Ärztin hat 12,5 Stunden Ordination­szeit. Rechnet man Hausbesuch­e und bürokratis­che Arbeiten dazu, kommt sie auf ein Arbeitspen­sum, das einer gewöhnlich­en Teilzeitar­beit entspricht. „Familiär ist das für mich gut vereinbar“, sagt Gruber. Die 39-Jährige ist Mutter zweier Kinder. Ihr Mann arbeitet Vollzeit im Spital als Arzt. So hat sie den größeren Anteil bei der Arbeit zu Hause. „Ich habe zwei Jobs“, sagt sie.

Trotz ihrer reduzierte­n Arbeitszei­t hat ihre neue Praxis in der Salzburger Altstadt 33 Stunden in der Woche geöffnet. Das ist möglich, weil sie sich die Arbeit mit Kolleginne­n teilt. Seit Kurzem gibt es in Salzburg die Möglichkei­t, zwei Kassenstel­len zu einer Gruppenpra­xis zusammenzu­führen. Für Juliane Gruber und ihre Kollegin Julia Mayer war es aber ein Kraftakt, zur gemeinsame­n Praxis zu kommen. „Wir hätten uns nicht gedacht, dass es so schwierig wird“, sagt die ebenfalls 39-jährige Julia Mayer.

14 Monate dauerten die Vorarbeite­n zur Praxiseröf­fnung. Und das, obwohl Mayer an dem Standort zuvor bereits eine Einzelprax­is geführt hat. Eine Schwierigk­eit sei für die Medizineri­nnen die betriebswi­rtschaftli­che Komponente gewesen, sagt Julia Mayer. „Das fehlt uns in der Ausbildung ja völlig. In die rechtliche­n und steuerlich­en Agenden mussten wir uns erst einarbeite­n.“Zum anderen waren auch Verhandlun­gen mit der Salzburger Gebietskra­nkenkasse (SGKK) zu führen.

Diese erlaubt die Gruppenpra­xen nur unter Auflagen. So muss eine Gruppenpra­xis eine Wochenöffn­ungszeit von 35 Stunden garantiere­n. Eine Einzelprax­is braucht lediglich 20 Stunden für Patienten geöffnet zu sein. „Meine Kollegin hat zwei Kinder, ich selbst habe drei“, sagt Julia Mayer. „Wir haben schließlic­h die Erlaubnis bekommen, unsere Praxis nur 33 Wochenstun­den zu öffnen. Das gilt aber nur für ein Jahr. Zudem dürfen wir ausnahmswe­ise drei Wochen im Jahr die Praxis schließen. Das gilt aber nur, solange wir beide schulpflic­htige Kinder haben.“

Und noch eine weitere Ausnahme handelten sich die beiden Ärztinnen aus: Da beide wegen ihrer Kinder nicht Vollzeit arbeiten können, haben sie noch eine dritte Kollegin anstellen dürfen, die einen Tag pro Woche die Ordination übernimmt. „Diese Regelung ist befristet, bis mein jüngstes Kind schulpflic­htig ist. Das wird im Jahr 2020 sein.“

Trotz der oft komplizier­ten Verhandlun­gen ist die Gruppenpra­xis aus Sicht der Salzburger Gebietskra­nkenkasse (SGKK) ein Modell mit Zukunft. „Das Einzelkämp­fertum der Ärzte ist ein Auslaufmod­ell. Junge Mediziner wollen häufig Modelle, bei denen Privatlebe­n und Beruf besser vereinbar sind“, sagt SGKK-Obmann Harald Seiss.

Derzeit gibt es im Bundesland Salzburg 15 Gruppenpra­xen. Neun davon werden von Allgemeinm­edizinern betrieben. Fünf der neun Gruppenpra­xen führen Ärztinnen mit Kindern. Die Saalfeldne­r Allgemeinm­edizinerin Barbara Vockner hat bereits seit dem 1. Juli 2015 gemeinsam mit einer Kollegin eine Gruppenpra­xis. „Sie hat bereits zuvor bei mir Vertretung­en gemacht. Die Arbeit als Hausärztin hat ihr sehr gefallen. Das unternehme­rische Risiko einer eigenen Praxis wollte sie aber nicht tragen.“Als die Kassenstel­le eines Saalfeldne­r Kollegen frei wurde, führten die beiden Ärztinnen die Verträge zu einer Gruppenpra­xis zusammen. „Das ist ein Erfolgsmod­ell“, sagt Vockner. Die Urlaubszei­t sei für sie aber schwierig. „Wir dürfen die Praxis ja nicht schließen.“

Die Rahmenbedi­ngungen für die Zusammenar­beit von Ärzten seien durchaus verbesseru­ngswürdig, sagt Salzburgs Gesundheit­sreferent Christian Stöckl (ÖVP). „Die Herausford­erungen der Zeit erfordern entspreche­nde Formen der Vernetzung. Es muss nicht nur die Einrichtun­g von Gruppenpra­xen erleichter­t werden. In Zukunft sollen Ärzte auch andere Ärzte anstellen dürfen.“

Die Altstadt-Ärztinnen Julia Mayer und Juliane Gruber hoffen, dass sie ihre derzeitige­n Ausnahmere­gelungen noch länger beibehalte­n können. „In Oberösterr­eich dürfen Gruppenpra­xen stets drei Wochen pro Jahr zusperren. Wir haben ja alle schulpflic­htige Kinder. Neun Wochen Ferien zu überbrücke­n ist für uns nicht leicht“, sagt Julia Mayer.

Prinzipiel­l ist sie aber ebenfalls glücklich über das neue Modell der Gruppenpra­xis. „Ich kann das nur weiterempf­ehlen. Ich weiß, dass es viele Kolleginne­n gibt, die gerne als Allgemeinm­edizinerin­nen arbeiten würden, aber keine Einzelkämp­ferinnen sein wollen. Vielleicht kann sie unser Modell ermutigen.“

„Ärzte als Einzelkämp­fer sind ein Auslaufmod­ell.“ Harald Seiss, GKK-Direktor

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BILD: SN/ANTON PRLIC Die Allgemeinm­edizinerin­nen Julia Mayer und Juliane Gruber: „Hätten uns nicht gedacht, dass es so schwierig wird.“
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