Ärztinnen brauchen Kraftakt für gemeinsame Praxis
Immer weniger Ärzte wollen allein eine Praxis führen. Mittlerweile gibt es neue Wege der Zusammenarbeit. Die sind mitunter steinig.
SALZBURG. Juliane Gruber kommt mit 25 Wochenstunden aus. Die praktische Ärztin hat 12,5 Stunden Ordinationszeit. Rechnet man Hausbesuche und bürokratische Arbeiten dazu, kommt sie auf ein Arbeitspensum, das einer gewöhnlichen Teilzeitarbeit entspricht. „Familiär ist das für mich gut vereinbar“, sagt Gruber. Die 39-Jährige ist Mutter zweier Kinder. Ihr Mann arbeitet Vollzeit im Spital als Arzt. So hat sie den größeren Anteil bei der Arbeit zu Hause. „Ich habe zwei Jobs“, sagt sie.
Trotz ihrer reduzierten Arbeitszeit hat ihre neue Praxis in der Salzburger Altstadt 33 Stunden in der Woche geöffnet. Das ist möglich, weil sie sich die Arbeit mit Kolleginnen teilt. Seit Kurzem gibt es in Salzburg die Möglichkeit, zwei Kassenstellen zu einer Gruppenpraxis zusammenzuführen. Für Juliane Gruber und ihre Kollegin Julia Mayer war es aber ein Kraftakt, zur gemeinsamen Praxis zu kommen. „Wir hätten uns nicht gedacht, dass es so schwierig wird“, sagt die ebenfalls 39-jährige Julia Mayer.
14 Monate dauerten die Vorarbeiten zur Praxiseröffnung. Und das, obwohl Mayer an dem Standort zuvor bereits eine Einzelpraxis geführt hat. Eine Schwierigkeit sei für die Medizinerinnen die betriebswirtschaftliche Komponente gewesen, sagt Julia Mayer. „Das fehlt uns in der Ausbildung ja völlig. In die rechtlichen und steuerlichen Agenden mussten wir uns erst einarbeiten.“Zum anderen waren auch Verhandlungen mit der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) zu führen.
Diese erlaubt die Gruppenpraxen nur unter Auflagen. So muss eine Gruppenpraxis eine Wochenöffnungszeit von 35 Stunden garantieren. Eine Einzelpraxis braucht lediglich 20 Stunden für Patienten geöffnet zu sein. „Meine Kollegin hat zwei Kinder, ich selbst habe drei“, sagt Julia Mayer. „Wir haben schließlich die Erlaubnis bekommen, unsere Praxis nur 33 Wochenstunden zu öffnen. Das gilt aber nur für ein Jahr. Zudem dürfen wir ausnahmsweise drei Wochen im Jahr die Praxis schließen. Das gilt aber nur, solange wir beide schulpflichtige Kinder haben.“
Und noch eine weitere Ausnahme handelten sich die beiden Ärztinnen aus: Da beide wegen ihrer Kinder nicht Vollzeit arbeiten können, haben sie noch eine dritte Kollegin anstellen dürfen, die einen Tag pro Woche die Ordination übernimmt. „Diese Regelung ist befristet, bis mein jüngstes Kind schulpflichtig ist. Das wird im Jahr 2020 sein.“
Trotz der oft komplizierten Verhandlungen ist die Gruppenpraxis aus Sicht der Salzburger Gebietskrankenkasse (SGKK) ein Modell mit Zukunft. „Das Einzelkämpfertum der Ärzte ist ein Auslaufmodell. Junge Mediziner wollen häufig Modelle, bei denen Privatleben und Beruf besser vereinbar sind“, sagt SGKK-Obmann Harald Seiss.
Derzeit gibt es im Bundesland Salzburg 15 Gruppenpraxen. Neun davon werden von Allgemeinmedizinern betrieben. Fünf der neun Gruppenpraxen führen Ärztinnen mit Kindern. Die Saalfeldner Allgemeinmedizinerin Barbara Vockner hat bereits seit dem 1. Juli 2015 gemeinsam mit einer Kollegin eine Gruppenpraxis. „Sie hat bereits zuvor bei mir Vertretungen gemacht. Die Arbeit als Hausärztin hat ihr sehr gefallen. Das unternehmerische Risiko einer eigenen Praxis wollte sie aber nicht tragen.“Als die Kassenstelle eines Saalfeldner Kollegen frei wurde, führten die beiden Ärztinnen die Verträge zu einer Gruppenpraxis zusammen. „Das ist ein Erfolgsmodell“, sagt Vockner. Die Urlaubszeit sei für sie aber schwierig. „Wir dürfen die Praxis ja nicht schließen.“
Die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Ärzten seien durchaus verbesserungswürdig, sagt Salzburgs Gesundheitsreferent Christian Stöckl (ÖVP). „Die Herausforderungen der Zeit erfordern entsprechende Formen der Vernetzung. Es muss nicht nur die Einrichtung von Gruppenpraxen erleichtert werden. In Zukunft sollen Ärzte auch andere Ärzte anstellen dürfen.“
Die Altstadt-Ärztinnen Julia Mayer und Juliane Gruber hoffen, dass sie ihre derzeitigen Ausnahmeregelungen noch länger beibehalten können. „In Oberösterreich dürfen Gruppenpraxen stets drei Wochen pro Jahr zusperren. Wir haben ja alle schulpflichtige Kinder. Neun Wochen Ferien zu überbrücken ist für uns nicht leicht“, sagt Julia Mayer.
Prinzipiell ist sie aber ebenfalls glücklich über das neue Modell der Gruppenpraxis. „Ich kann das nur weiterempfehlen. Ich weiß, dass es viele Kolleginnen gibt, die gerne als Allgemeinmedizinerinnen arbeiten würden, aber keine Einzelkämpferinnen sein wollen. Vielleicht kann sie unser Modell ermutigen.“
„Ärzte als Einzelkämpfer sind ein Auslaufmodell.“ Harald Seiss, GKK-Direktor