Die Politik schielt nach Hollywood
Professionelle Internetvideos über Politiker fehlen in Zeiten von sozialen Medien weder im Wahlkampf noch in der Amtszeit. Welche Strategie verfolgen Politiker damit und was sagt das über die moderne Demokratie aus?
WIEN. Ein Kameraschwenk in Zeitlupe, unterlegt mit der Musik eines Streichorchesters, ein Zoom auf ein Lächeln, langsam ausgeblendet ins Schwarze. Hier wird kein kitschiger Werbeclip beschrieben, sondern das offizielle Video über die erste Auslandsreise der neuen Außenministerin Karin Kneissl in die Slowakei. Veröffentlicht wurde der Film auf der Facebook-Seite des Außenministeriums. Inhaltlich erfährt der Zuseher wenig über Kneissls Besuch in Pressburg, aber die Bilder sind schön.
Die Politik setzt zunehmend auf Inszenierung, die Wähler sollen über emotionale Bilder angesprochen werden, weniger über Inhalte. Kommunikationswissenschafter beobachten schon lange diesen Trend, der vor allem durch die sozialen Medien ermöglicht wird: „Ich kann auf Facebook diese Bilder ohne Zwischenstation über klassische Medien, ohne lästige Journalistenfragen, also ohne Filter direkt an die Wähler bringen. In den USA hat das die Politik schon vor zehn Jahren erkannt“, erklärt der Kommunikationswissenschafter Hajo Boomgaarden. Er beschäftigt sich mit politischer Kommunikation und Wahlkampfberichterstattung.
So groß der Nutzen dieser Internetvideos für die Politiker ist, so gering ist meistens der Aufwand. „Die technische Ausrüstung ist überschaubar, ein Smartphone und ein Laptop reichen oft. Es ist nur eine Frage der Manpower“, erklärt der Mitarbeiter einer Parteizentrale, der anonym bleiben will.
Hört man sich in den Ministerien um, zeigt sich, dass die Kommunikationsteams immer größer werden. Hatte ein Minister früher maximal zwei Sprecher, arbeitet nun ein ganzes Team im Hintergrund am Auftritt der Politiker in sozialen Medien. Meistens gibt es sogar eine doppelte Betreuung durch ein Presseteam. Eine durch das Ministerium und eine durch die Partei. „Die Parteien und die Politiker wollten mit emotionalen Bildern schon seit Jahrzehnten in Kontakt mit dem Wähler treten, das ist nicht neu, nur wird es immer professioneller“, erklärt Experte Boomgaarden.
Auch im aktuellen Landtagswahlkampf in Niederösterreich setzen die Politiker vermehrt auf bewegte Bilder. Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und der SPÖ-Spitzenkandidat Franz Schnabl starteten jeweils mit einem aufwendig produzierten Video in den Wahlkampf. Mikl-Leitner ließ gar Videos produzieren, in denen sie ihre Wahlkampfhelfer per Vornamen anredet. Für die personalisierten Videobotschaften sollen 200 Vornamen eingesprochen worden sein. Die Grünen schlüpften gar in die Kostüme der „Star Wars“Charaktere. Der Disney-Konzern, der die Rechte auf „Star Wars“hat, will rechtliche Schritte prüfen.
„Mit so einem Film kann man auf einen Schlag die eigenen Wähler mobilisieren und bei Unentschlossenen ins Gespräch kommen, wenn es besonders witzig oder emotional gemacht wird. Es soll polarisieren und Gesprächsstoff werden. Im besten Fall explodiert das in den sozialen Medien“, erklärt die Kampagnenmitarbeiterin einer wahlwer- benden Partei in Niederösterreich. Schon im Bundespräsidentschaftswahlkampf und im Nationalratswahlkampf wurden die Kampagnen mit professionellen Internetvideos ergänzt. SPÖ-Chef Christian Kern lief durch seinen Heimatbezirk Wien-Simmering, ÖVP-Chef Sebastian Kurz radelte mit seinem Vater durch Niederösterreich.
Der Kommunikationswissenschafter Hajo Boomgaarden sieht einen Trend in der Politik, der weg von Inhalten und hin zur Darstellung des Spitzenkandidaten führt. Dazu gehören auch prägende Bilder. „Die Persönlichkeit spielt aber auch in den klassischen Medien eine immer größere Rolle.“Hobbys, Beziehungen, Lieblingsspeisen. Das alles fließt zunehmend in die politische Berichterstattung ein. Ist die Demokratie am Ende, wenn es nur noch um die Person des Politikers geht? Boomgaarden sieht beide Seiten der Medaille. „Einerseits wird natürlich die Diskussion über Inhalte durch die Oberflächlichkeiten verdrängt, andererseits werden so auch Menschen auf die Politik aufmerksam gemacht, die sich sonst nicht dafür interessiert hätten.“
Dass die Medien die Selbstinszenierung von Politikern auf SocialMedia-Kanälen kritisierten, sei klar. „Sie sehen darin eine Konkurrenz, wer braucht noch ein Interview in einer Tageszeitung, wenn ich über Facebook mit einem kurzen Clip viele meiner Anhänger erreichen kann?“Und das nach dem Geschmack der PR-Berater. Gerade die sozialen Medien seien wiederum der Grund dafür, dass die Politiker immer vehementer versuchten, die Kontrolle über ihr Bild in der Öffentlichkeit zu behalten. „Schließlich ist heute auch jeder Fehler in Sekundenschnelle über das Internet verbreitet“, sagt Boomgaarden.
„Inhalte werden verdrängt.“ Hajo Boomgaarden, Medienwissenschafter