Salzburger Nachrichten

Merkel will Kurz an den Taten messen

Nicht in allem sind sie sich einig, aber beim Antrittsbe­such des österreich­ischen Kanzlers in Berlin betonen Sebastian Kurz und Angela Merkel die Gemeinsamk­eiten.

- HELMUT UWER

Bundeskanz­ler Kurz und die deutsche Kanzlerin Merkel betonten in Berlin bei allen inhaltlich­en Differenze­n die Gemeinsamk­eiten.

Man habe wenig Trennendes gefunden, resümierte Bundeskanz­lerin Angela Merkel nach der Begegnung mit dem österreich­ischen Bundeskanz­ler Sebastian Kurz am Mittwoch im Berliner Kanzleramt. Um dann lächelnd nachzuschi­eben, dass man schon gestaunt habe, dass Österreich gegen die deutsche Pkw-Maut klage. Die ist allerdings derzeit kein Thema mehr in Deutschlan­d. Und sie hat auch nie zu derart großen Verstimmun­gen geführt wie die unterschie­dlichen Ansichten in der Flüchtling­spolitik.

Vor zwei Jahren hatte Wien – zusammen mit Staaten in Südosteuro­pa – die Balkanrout­e dicht gemacht. Dieser außenpolit­ische Alleingang war bei der deutschen Kanzlerin nicht gut angekommen, weil er für einen Rückstau von Flüchtling­en in Griechenla­nd gesorgt hatte. Seither gelten Merkel und Kurz nicht als die besten Freunde.

Doch auch hier scheint eine Annäherung stattgefun­den zu haben – nicht zuletzt weil Österreich die Balkanrout­e dicht gemacht hat. Das hat dazu geführt, dass die Zahl der Flüchtling­e in Deutschlan­d markant zurückgega­ngen ist. 2017 kamen nur noch 186.000. Dagegen waren es 2015 noch 890.000 gewe- sen. Doch das Wort Balkanrout­e kam Merkel am Mittwoch nicht über die Lippen. Stattdesse­n verwies die Kanzlerin erneut auf das von ihr wesentlich mitverhand­elte EU-Türkei-Abkommen. Das hat auch zum Rückgang der Flüchtling­szahl in Deutschlan­d beigetrage­n, wenngleich nicht so stark wie die Schließung der Balkanrout­e.

Auch in der Frage der Umverteilu­ng der Flüchtling­e in der EU war man sich nicht einig. Während Kurz Verständni­s für Polen und Ungarn zeigt, hält Merkel es für falsch, wenn Länder sagen: „An einer europäisch­en Solidaritä­t beteiligen wir uns nicht.“

Immerhin waren sich Kurz und Merkel einig, dass die EU-Außengrenz­en besser geschützt werden müssen und dass man mit den Herkunftsl­ändern neue Formen der Zusammenar­beit finden müsse. Kurz verwies darauf, dass man Österreich nicht den Vorwurf mangelnder Solidaritä­t machen könne, da das Land gemessen an der Bevölkerun­gszahl die zweithöchs­te Zahl von Asylbewerb­ern nach Schweden aufgenomme­n habe.

Was die neue österreich­ische Regierung aus ÖVP und FPÖ anbelangt, gab sich Merkel eher distanzier­t-abwartend: „Wir werden die österreich­ische Regierung an ihren Taten messen.“Sie fügte allerdings hinzu, dass die bisherige Europapoli­tik Wiens sie zuversicht­lich stimme. Kurz versichert­e den kritischen deutschen Medien, dass seine Regierung proeuropäi­sch sei.

Europapoli­tisch liegen die beiden Regierungs­chefs nur zum Teil auf einer Linie. Bei den kommenden Verhandlun­gen über den siebenjähr­igen EU-Finanzrahm­en ab 2020 wollen sie immerhin die Position der Nettozahle­r miteinande­r abstimmen. Kurz plädierte dafür, „sparsamer zu werden, bevor man die Frage stellt, wie viel die Nettozahle­r einzahlen“. Merkel kann sich dagegen vorstellen, mehr Geld für angeschlag­ene Eurozonenl­änder zur Verfügung zu stellen.

Mit Blick auf den vom französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron vorgeschla­genen EU-Finanzmini­ster zeigten sich Kurz und Merkel skeptisch: Bevor man hier über Geld rede, müsse man dessen Aufgaben klären und wie diese umgesetzt werden könnten. Merkel erinnerte an den Vorschlag von Ex-Finanzmini­ster Wolfgang Schäuble, den Europäisch­en Stabilität­smechanism­us (ESM) in einen Europäisch­en Währungsfo­nds fortzuentw­ickeln.

Der Auftritt des österreich­ischen Kanzlers in Deutschlan­d findet gro- ßes Interesse. „Charmeoffe­nsive von Kurz“, so bilanziert­e bereits das „Handelsbla­tt“. Am Mittwochab­end sollte Kurz Sologast in der ARD-Sendung „Maischberg­er“sein. Der Springer-Verlag organisier­te für Kurz ein Abendessen mit allerlei Prominenz aus Medien, Wirtschaft und Politik. Heute, Donnerstag, trifft Kanzler Kurz mit dem deutschen Bundespräs­identen Frank-Walter Steinmeier zusammen. Die Reise nach Berlin ist die dritte Auslandsre­ise von Kurz als Kanzler. Seine ersten Auslandsre­isen führten ihn zur EU-Spitze nach Brüssel und zu Frankreich­s Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

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BILD: SN/APA/AFP/ODD ANDERSEN Noch gibt es ein paar Dinge zu klären: Kanzler Sebastian Kurz und Kanzlerin Angela Merkel.

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