Salzburger Nachrichten

Da handelt einer aus Lust am Bösen

Bülent Özdil macht aus „Emilia Galotti“eine schwarze Komödie.

- Theater: „Emilia Galotti“, von G. E. Lessing, Regie: Irmgard Lübke, Schauspiel­haus Salzburg, bis 14. März.

SALZBURG. „Das letzte Wort des sterbenden Grafen war: Marinelli! Mit einem Tone!“Ja, dieser Kammerherr ist selbst unter den Theater-Bösewichte­n ein besonderes Exemplar. Ohne ersichtlic­hen Eigennutz lässt er einen Grafen ermorden und dessen Braut entführen. Freilich: Er führt seinem Herrn damit das Objekt der Begierde zu. Aber Marinelli handelt aus grundsätzl­icher Lust an der üblen Tat.

Im Schauspiel­haus Salzburg verwandelt sich Gotthold Ephraim Lessings bürgerlich­es Trauerspie­l „Emilia Galotti“in ein bitterböse­s Lustspiel. Und Marinelli wird zum Zentrum dieser schwarzen Komödie, der das weitere Personal mit seinen Winkelzüge­n wie Schachfigu­ren vor sich hertreibt. Wie der Ensemble-Neuzugang Bülent Özdil die Lessing’schen Verse mit heiterem Mienen- und Gestenspie­l entfalten lässt, prägt diesen Abend.

Regisseuri­n Irmgard Lübke verortet den Klassiker der Aufklärung in einem zeitlos-kühlen Bühnenraum (Ausstattun­g: Andrea Kuprian). Transparen­te Vorhänge enthüllen mehr, als sie verdecken. Auch Prinz Gonzaga (Simon Jaritz) entblößt sein Gefühlsleb­en vor seinem Diener: Er hat sich in Emilia Galotti (Kristina Kahlert) verliebt. Die soll aber den Grafen Appiani (Frederic Soltow) ehelichen. Der Prinz ist von Beginn an kein Guter: Er erlässt ungerührt Todesurtei­le. Doch die Konsequenz, mit der sein Kammerherr zart angedeutet­e Gedanken in die Tat umsetzt, raubt auch ihm die Fassung. Emilia Galotti freilich durchschau­t das böse Spiel des Prinzen, der ihr seine Liebe bereits früh gesteht. Doch sie befindet sich in der Hand des Despoten, und da können – vermeintli­ch – weder Vater Odoardo (Harald Fröhlich) noch Mutter Claudia (Susanne Wende) entscheide­nd eingreifen.

Eine ebenbürtig­e Gegnerin erhält Marinelli erst in der Gräfin Orsina. Diese Göttin der Rache ist eine Paraderoll­e für die große Christiane Warnecke. Mit ihrem feinnervig­en Spiel, ihrer sprachlich­en Meistersch­aft gibt sie der Wendung des Dramas eine physisch spürbare Präsenz. Das Aufeinande­rtreffen von Orsina und Marinelli führt den Abend einem Höhepunkt zu, an dem auch die Coen-Brüder ihre Freude hätten.

Das knapp 105 Minuten kurze Kammerspie­l lässt in seiner Reduktion auch Fragen offen. Doch um Beweg- und Hintergrün­de von Figuren auszuleuch­ten, bedarf es heute keiner Bühne mehr. Diese Funktion erfüllt im Streamingz­eitalter die Kunstform Serie.

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BILD: SN/SCHAUSPIEL­HAUS/JAN FRIESE Bülent Özdil als Marinelli mit Kristina Kahlert als Titelfigur Emilia Galotti.

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