Da handelt einer aus Lust am Bösen
Bülent Özdil macht aus „Emilia Galotti“eine schwarze Komödie.
SALZBURG. „Das letzte Wort des sterbenden Grafen war: Marinelli! Mit einem Tone!“Ja, dieser Kammerherr ist selbst unter den Theater-Bösewichten ein besonderes Exemplar. Ohne ersichtlichen Eigennutz lässt er einen Grafen ermorden und dessen Braut entführen. Freilich: Er führt seinem Herrn damit das Objekt der Begierde zu. Aber Marinelli handelt aus grundsätzlicher Lust an der üblen Tat.
Im Schauspielhaus Salzburg verwandelt sich Gotthold Ephraim Lessings bürgerliches Trauerspiel „Emilia Galotti“in ein bitterböses Lustspiel. Und Marinelli wird zum Zentrum dieser schwarzen Komödie, der das weitere Personal mit seinen Winkelzügen wie Schachfiguren vor sich hertreibt. Wie der Ensemble-Neuzugang Bülent Özdil die Lessing’schen Verse mit heiterem Mienen- und Gestenspiel entfalten lässt, prägt diesen Abend.
Regisseurin Irmgard Lübke verortet den Klassiker der Aufklärung in einem zeitlos-kühlen Bühnenraum (Ausstattung: Andrea Kuprian). Transparente Vorhänge enthüllen mehr, als sie verdecken. Auch Prinz Gonzaga (Simon Jaritz) entblößt sein Gefühlsleben vor seinem Diener: Er hat sich in Emilia Galotti (Kristina Kahlert) verliebt. Die soll aber den Grafen Appiani (Frederic Soltow) ehelichen. Der Prinz ist von Beginn an kein Guter: Er erlässt ungerührt Todesurteile. Doch die Konsequenz, mit der sein Kammerherr zart angedeutete Gedanken in die Tat umsetzt, raubt auch ihm die Fassung. Emilia Galotti freilich durchschaut das böse Spiel des Prinzen, der ihr seine Liebe bereits früh gesteht. Doch sie befindet sich in der Hand des Despoten, und da können – vermeintlich – weder Vater Odoardo (Harald Fröhlich) noch Mutter Claudia (Susanne Wende) entscheidend eingreifen.
Eine ebenbürtige Gegnerin erhält Marinelli erst in der Gräfin Orsina. Diese Göttin der Rache ist eine Paraderolle für die große Christiane Warnecke. Mit ihrem feinnervigen Spiel, ihrer sprachlichen Meisterschaft gibt sie der Wendung des Dramas eine physisch spürbare Präsenz. Das Aufeinandertreffen von Orsina und Marinelli führt den Abend einem Höhepunkt zu, an dem auch die Coen-Brüder ihre Freude hätten.
Das knapp 105 Minuten kurze Kammerspiel lässt in seiner Reduktion auch Fragen offen. Doch um Beweg- und Hintergründe von Figuren auszuleuchten, bedarf es heute keiner Bühne mehr. Diese Funktion erfüllt im Streamingzeitalter die Kunstform Serie.