Salzburger Nachrichten

Mehr Medienviel­falt ist noch keine Neuerfindu­ng des Journalism­us

Die neu angetreten­en Recherchep­lattformen im Internet leisten solide journalist­ische Arbeit. Nicht weniger. Aber auch nicht mehr.

- Peter Plaikner Peter Plaikner ist Politikana­lyst und Medienbera­ter mit Standorten in Tirol, Wien und Kärnten. MEDIA THEK

Vielleicht haben Sie schon von dossier.at gehört. An dieser Internet-Adresse logieren junge Journalist­en, die unregelmäß­ig, aber kontinuier­lich auch als Partner etablierte­r Medien große Fälle recherchie­ren. Jüngst Toni Sailer.

Eventuell ist Ihnen zudem addendum.org aufgefalle­n. Das ist eine Gruppe teils prominente­r Journalist­en und diverser Fachexpert­en, die sich jede Woche einem neuen inhaltlich­en Projekt widmet. Aktuell ist es Donald Trump.

Allenfalls hat sogar republik.ch Ihre Aufmerksam­keit gewonnen. Die Schweizer produziere­n seit Sonntag etwas Ähnliches wie die vorgenannt­en Österreich­er. Nicht mehr als drei Artikel pro Tag. Zum Start zu Facebook.

Eine Parallele dieser Initiative­n ist ihr investigat­iver Ansatz, also der Versuch von Enthüllung, in Kombinatio­n mit Entschleun­igung. Aktualität spielt weniger eine Rolle. Eine weitere Gemeinsamk­eit ist ihr unausgespr­ochener Vorwurf, mehr zu leisten als herkömmlic­he Medien. „Das, was fehlt“, sagt addendum.org über sich. Um es zu ermögliche­n, hat Dietrich Mateschitz eine Million investiert. Laut manchen Berechnung­en betreibt der Milliardär in Österreich bereits das zweitgrößt­e Medienhaus nach dem ORF. Dagegen ist dossier.at ein Crowdfundi­ng-Projekt, für das seit seiner Gründung 2012 erst 60.000 Euro flossen. Dennoch ist es wie addendum.org frei zugänglich.

Bei republik.ch hingegen kostet das Jahresabo 205 Euro. Aber nicht, weil die Eidgenosse­n diese Finanzieru­ng mehr brauchen. Bekannte Journalist­en haben dafür drei Millionen Euro von 18.000 Interessen­ten gesammelt. Dazu kommt ebenso viel Geld von Investoren. Dass die Schweizer es dennoch als Kaufmedium anlegen, macht ihr Projekt vergleichb­ar mit herkömmlic­hen Medien, die sich betriebswi­rtschaftli­ch auf dem Markt behaupten müssen.

Allen gemeinsam ist unterdesse­n, dass sie zwar solide redaktione­lle, immer wieder auch wirklich investigat­ive Arbeit leisten, aber beileibe keine Neuerfindu­ng eines Genres darstellen. Sie stoßen in die vorerst nur behauptete Lücke vor, dass der Kostendruc­k dem Journalism­us zu wenig Zeit und Ressourcen für Erklärung und Recherche lasse. Den Großteil an Enthüllung­en liefern aber immer noch Zeitungen und Magazine. Auch für sie sind das keine alltäglich­en, aber selbstvers­tändliche Teile ihres Inhalts, der insgesamt viel umfangreic­her ist als jener der neuen Recherchep­lattformen. Diese bereichern bloß als neues Spezialang­ebot die Medienviel­falt – noch ohne überzeugen­de Antwort darauf, ob es den Markt für sie gibt und ob die Gesellscha­ft sie braucht.

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