Roboter bringt Wein und wachselt Ski
Welche Aufgaben im Tourismus können an Maschinen ausgelagert werden, was soll weiterhin der Mensch machen? Wissenschafter sehen Österreich bei den Gewinnern – unter einer Voraussetzung.
Andrew McAfee erforscht am Massachusetts Institute of Technology (MIT) die Auswirkungen von Informationstechnologie auf Unternehmen und Wirtschaft. Die SN trafen ihn beim Hotelierkongress in Wien. SN: Roboter und Digitalisierung erobern den Tourismus. Was heißt das für die Mitarbeiter?
Andrew McAfee: Arbeit und Umfeld verändern sich radikal. Eine Entlassungswelle sehe ich nicht. Durch die Auslagerung von Routinetätigkeiten werden mehr gut und auch schlechter bezahlte Jobs entstehen, aber in der Mitte wird es eine Ausdünnung geben. Beim Einchecken in meinem Hotel musste ich ein Papierformular ausfüllen – lächerlich im 21. Jahrhundert! Aber nicht alle Routineaufgaben verschwinden, in einigen Bereichen ist der Mensch der Maschine überlegen – wenn es um Hausverstand geht, um Planung, soziale Fähigkeiten oder das Herstellen von Vertrauen. Das kann man nicht automatisieren. SN: Wird es einmal vollautomatisierte Hotels geben, ohne Personal? Es gibt dazu bereits Experimente in Japan. Aber nur manche werden in diese Richtung gehen. Wir müssen abwarten, wie die Nachfrage ist. Ich glaube, dass viele Gäste, die zum Skifahren nach Österreich kommen, auch den Menschen hier begegnen wollen, das verbietet eine Vollautomatisierung. Routinearbeiten sollten erledigt werden und das Personal sollte sich auf das Unverwechselbare und das Besondere konzentrieren. SN: Wie kann man sich die Branche im Jahr 2028 vorstellen? Schwer zu sagen, wir stehen noch ganz am Anfang der Entwicklung. Die Welt wird sich in den nächsten 20 Jahren mehr verändern als in den vergangenen. Wir können aber schon sagen, dass die Welt noch mehr vernetzt und globalisiert sein wird. Mehr Menschen werden reisen wollen und es sich auch leisten können. Eine Nachricht für Österreichs Tourismuswirtschaft, die davon profitieren sollte – wenn sie nicht schwere Fehler macht. Denn die Toleranz für überflüssige Dinge wird sinken. Wer Gäste 2028 noch Formulare ausfüllen lässt, der hat ein ernsthaftes Problem. Wir werden uns auch anders über Reiseziele informieren. Vor 50 Jahren gab es den Michelin-Guide. Heute haben wir Internet-Plattformen wie Instagram und Tripadvisor. In zehn Jahren wird es neue Medien geben, vielleicht virtuelle Realität. SN: Wenn ich im Hotelzimmer eine Flasche Wein bestelle, wird die der Roboter bringen? Solche Aufgaben könnten Roboter übernehmen. Denn wenn Sie Zimmerservice bestellen, suchen Sie nicht die persönliche Begegnung mit einem Menschen, Sie wollen vor allem Schnelligkeit, Bequemlichkeit und Effizienz. Wenn es an der Tür klingelt und draußen steht der Roboter mit dem Frühstück – großartig! Da geht es nicht um persönlichen Kontakt.
Wenn ich abends an die Bar gehe, ist das vielleicht anders. Wer diesen Unterschied versteht, wird Erfolg haben. Ein Roboter könnte mich etwa vom Taxi abholen und auf mein Zimmer bringen. Oder er stellt mir die Bindung ein und bereitet den Ski vor, wenn ich am nächsten Tag Ski fahren will, und ich muss nichts mehr ausfüllen. In den nächsten Jahren wird sich viel tun, um das Reisen für den Gast einfacher, bequemer und effizienter zu machen. Auch die menschliche Seite darf dabei nicht zu kurz kommen. Das sind sehr unterschiedliche Dinge, die bisher aus einer Hand gekommen sind. Genau das wird sich ändern. SN: Menschen sollen sich also verstärkt auf zwischenmenschliche Aspekte konzentrieren? Da haben wir einen Vorteil. Das ist eine wirtschaftliche Grundregel: Mach nichts, worin du weniger gut bist! In den nächsten fünf bis zehn Jahren wird sich klar zeigen, wo die Vorteile des Menschen liegen und wo uns Maschinen überlegen sind. SN: Die Zusammenarbeit beider Seiten ist eine Herausforderung? Absolut. Gleich drei Seiten sind beteiligt: Gast, Gastgeber – also Hotelier, Kellner oder Skilehrer – und die Technologie. Ich bin gespannt, wie die drei miteinander auskommen. SN: Wer weist den Weg? Brauchen wir eine neue Ausbildung? Manche schreiben Bücher und reden darüber. Wir können auch die Leute darin ausbilden, wie sie künftig gute Gastgeber sind. Die dritte Variante ist, dass jemand einen abrupten Wandel bewirkt, also die sogenannte Disruption. Das sehen wir gerade im Einzelhandel, da hat erst Walmart, jetzt auch Amazon für einen solchen Wandel gesorgt. Das macht also der Wettbewerb und nicht Bücher oder die Ausbildung. SN: Wer sorgt im Tourismus für so einen abrupten Wandel? Das beginnt gerade erst. In manchen Hotelketten kann ich mit dem Smartphone im Zimmer einchecken. So etwas wird es immer öfter geben. Spannend finde ich, dass die echten Neuerer erkennen, wie sie Automatisierung und Technologie mit Gastfreundschaft und angenehmem menschlichen Kontakt kombinieren können. Ich habe dafür kein Rezept. Aber ich werde davon profitieren, weil ich viel reise. SN: Wer wird zu den Verlierern solcher Entwicklungen gehören? Es geht da immer um die Frage, ob man die Vergangenheit vor der Zukunft schützen will, weil gestern alles besser war und die Zukunft Angst macht – oder die Zukunft vor der Vergangenheit, weil man erwartet, dass vieles besser wird. Dieses wunderbare Land mit seiner langen Geschichte könnte nur dann unter den Verlierern sein, wenn es die Vergangenheit zu sehr vor der Zukunft schützen will. Das wird nicht funktionieren, die Menschen wollen die Zukunft.
Man kann Taxi-Apps wie Uber oder Lyft kritisieren, weil sie Taxifahrern Jobs wegnehmen. Aber Touristen lieben sie. Überall auf der Welt können sie sie über Handy bestellen, brauchen sich keine Gedanken über Telefonnummern, Währung oder Sprache machen – eine echte Innovation, die die Menschen schätzen, weil sie davon profitieren.
Andrew McAfee ( *1967) studierte Technik, Wirtschaft und Naturwissenschaften. 1999 erwarb er den Doktortitel an der Harvard Business School. Neben seiner Lehrtätigkeit am MIT verfasst er Bücher, u. a. den Bestseller „The Second Machine Age“.