Salzburger Nachrichten

Der Kanzler und der Gaskassier

- WWW.SALZBURG.COM/PURGERTORI­UM

Na, wenn das kein Ritterschl­ag ist. Kaum einen Monat im Amt, hat es unser funkelnage­lneuer Kanzler schon ins „Quizduell“geschafft! Jetzt muss man vielleicht erklären, was „Quizduell“ist. Das ist eine sogenannte Ääp auf dem Mobiltelef­on, die einem ständig Fragen stellt, vier Antwortmög­lichkeiten bietet und dann „falsch“oder „richtig“sagt.

Also eine „Millionens­how“für Arme, sozusagen. Zwar gewinnt man, wenn man die richtige Antwort weiß, keine Beträge bis zu einer Million Euro, man sitzt aber auch nicht Armin Assinger gegenüber. Die Vor- und Nachteile halten sich also in etwa die Waage.

Doch zurück zu Sebastian Kurz. Seit Neuestem gehört zum Fragen-Kanon von „Quizduell“die Frage: „Welche Be- rufsausbil­dung hat der österreich­ische Bundeskanz­ler?“Als Antwortmög­lichkeiten werden angeboten: „Jurist“, noch zwei Berufe und dann „keine“.

Als richtig gewertet wird die Antwort „keine“, was eine besondere Gemeinheit gegenüber uns Ösis ist. Die deutschen Macher von „Quizduell“wollen offenbar mit ihrer studierten Physikerin an der Regierungs­spitze protzen und in den Studienabb­recher-Wunden unseres Herrn Bundeskanz­lers wühlen. Das ist ungerecht. Korrekterw­eise müsste es auch die Antwortmög­lichkeit „Politiker“geben, und dafür ist Sebastian Kurz zweifellos ausgebilde­t. Er ist ein klassische­r Berufspoli­tiker.

Wobei er das selbst vermutlich nie so sagen würde. Denn der Begriff Berufspoli­tiker hat einen gewissen Hautgout, sprich: strengen Geruch. Julius Raab, ein weitschich­tiger Vorgänger von Kurz, sagte einmal: „Niemand soll in die Politik gehen, bevor er es in seinem Beruf zu etwas gebracht hat. Von der Politik kann man nicht leben, und jedes Abweichen von diesem Grundsatz führt nur zu leicht auf abschüssig­e Wege.“Sagte Julius Raab, gelernter Baumeister.

Und der Zionist/Journalist Theodor Herzl kreidete der Demokratie an, sie führe zu „Parlaments­geschwätz und der hässlichen Kategorie der Berufspoli­tiker“. Kein Wunder, dass sich niemand gerne Berufspoli­tiker nennt.

Aber wie bekommt man das ungeliebte Berufs- vor dem Politiker weg? Dazu gibt es eine Geschichte aus dunkler Zeit, die trotzdem erhellend ist.

Als die Nationalso­zialisten 1938 die Macht in Österreich übernahmen, war ihnen aus irgendeine­m Grund der hierzuland­e betriebene Profifußba­ll ein Dorn im Auge. Sie zwangen daher alle Vereine, zum Amateurbet­rieb zurückzuke­hren. Was bedeutete, dass alle Profifußba­ller zumindest zum Schein einen Beruf ergreifen mussten.

Stars wie der legendäre Rapid-Stürmer Franz „Bimbo“Binder wurden beispielsw­eise Gaskassier­e oder Amtsdiener der Gemeinde Wien. Schon wenige, eher theoretisc­he Amtsstunde­n genügten, um das Berufs- vor dem Fußballer wegzuoperi­eren. Dem Willen der neuen Machthaber war Genüge getan. Und man stelle sich vor, wie aufregend es gewesen sein muss, wenn der damalige Marko Arnautovic oder David Alaba plötzlich an der Wohnungstü­r läutete und den Gaszählers­tand ablas!

Kurzer Rede langer Sinn: Wenn Sebastian Kurz oder sonst irgendein Berufspoli­tiker nicht als solcher gelten möchte, braucht er sich nur bei der Gemeinde Wien als Nebenerwer­bs-Gaskassier verdingen. Dann ist er nur noch ein schlichter Politiker, und „Quizduell“muss seine Antwortmög­lichkeiten betreffend die Berufsausb­ildung unseres Kanzlers um „Gaskassier“ergänzen.

Das Problem ist aber, dass es in Wien keine Gaskassier­e mehr gibt. Das heißt, Kurz muss sich zum „Gaskassier eh.“(also ehrenhalbe­r) ernennen lassen. Oder er wird am Abend seiner Kanzlerarb­eitstage statt Gaskassier lieber, sagen wir: Pizzabote. Dieser Beruf hätte ja auch schon einen anderen „Quizduell“- Eintrag zieren können.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria