Wer taugt heute noch zum Sportidol?
Kitzbühel 2018. Man hält sich routiniert an das Drehbuch. Erst das lustvolle Kokettieren mit der wildesten und gefährlichsten Streif aller Zeiten. Dann der Aufschrei und die Sicherheitsdiskussion. Und spätestens ab Mittwoch, wenn wie alle Jahre der große Schneefall einsetzt, zeigt die Natur, wer hier wirklich das Sagen hat.
Irgendwie alles wie immer. Und irgendwie doch nicht.
Der Star dieser Rennen kommt nicht aus dem Lager der draufgängerischen Abfahrer, es ist Marcel Hirscher, der am Sonntag im Slalom die Rekordmarke von Hermann Maier an Weltcupsiegen egalisieren kann. Und noch ein Detail ist ungewohnt: Ein Denkmal des österreichischen Skisports wurde angegriffen. Der ÖSV war bereits seit längerer Zeit davon informiert, dass zu Beginn der Hahnenkamm-Woche die Vorwürfe gegen Toni Sailer auftauchen werden. Man mag es je nach Sichtweise unappetitlich oder unumgänglich finden, einen Uraltakt über einen Toten auszugraben. Aber noch interessanter ist der Blick zurück: Die Sache war über Jahrzehnte bekannt und bei Recherchen wurde schnell klar, dass es nicht erwünscht ist, da zu viel zu fragen. Viele Journalisten haben auch gar nicht nachgefragt – eine Ikone der Nachkriegszeit anzupatzen, das schien vielen einfach denkunmöglich.
Warum passiert das also heute? Vielleicht weil die Zeit gekommen ist, in der es zwar Sportstars gibt, aber keine Idole mehr braucht. Marcel Hirscher ist ein grandioser Skifahrer, aber als strahlende Überfigur wie einst Sailer oder Franz Klammer taugt er nicht. Er will es auch nicht. Er macht bewusst einen Bogen um zu viel Scheinwerferlicht und die Tatsache, dass er eine Freundin und zwei Hunde hat, ist sein maximales Zugeständnis an das Interesse der Öffentlichkeit. Wer taugt also heute noch zum Sportidol? Oder anders gefragt: Braucht es heute überhaupt noch ein Idol, das wie Sailer in den Fünfzigerjahren das nationale Wir-Gefühl vermittelt?
Vermutlich heißt die Antwort darauf: Nein. So gesehen hat Hirscher alles richtig gemacht – zwischen den Toren ohnedies und auch abseits davon.