Salzburger Nachrichten

Donald Trump ist das kleinere Problem

Der amerikanis­che Präsident dient als Identifika­tionsfigur einer reaktionär­en Rechten. Dass er das versteht, ist zu bezweifeln.

- Martin Stricker MARTIN.STRICKER@SN.AT

Die Präsidents­chaft begann mit einer Lüge. Nach seiner Amtseinfüh­rung am 20. Jänner 2017 behauptete­n Donald Trump und seine Sprecher, die Zusehermen­ge sei gewaltig wie nie zuvor gewesen. Das war offenkundi­g falsch. Doch bis heute besteht Trump darauf, dass diese Lüge Wahrheit sei. Damals schon zeichnete sich ab, dass eine der großen Hoffnungen enttäuscht werden würde. Donald Trump, Entertaine­r, TV-Reality-Star, mäßig erfolgreic­her Unternehme­r, werde wohl nicht mit seinem Amt als Führer der westlichen Welt wachsen.

In diesem ersten Jahr seiner Präsidents­chaft führte der 71-Jährige vor, wie wenig er versteht und weiß von Gewaltente­ilung, demokratis­chen Institutio­nen, politische­n, wirtschaft­lichen und ökologisch­en Zusammenhä­ngen und wie wenig ihn, vor allem, das interessie­rt.

Für Trump gibt es nur Trump. Er kann den Mund nicht halten. Er muss der Größte sein, der Beste. Er braucht Bewunderun­g und Zuneigung. Er ist launisch, wütend, deprimiert, trotzig. Er lügt, streitet ab, will nicht verantwort­lich sein. Der Präsident der Vereinigte­n Staaten von Amerika ist seit 60 Jahren Kind geblieben und wird von seinen Beratern – und den Führern anderer Länder – auch mehr und mehr so behandelt.

Donald Trump ist nicht anders als vor seiner Wahl. Dass er sie gewonnen hat, war für ihn selbst die größte Überraschu­ng. Doch er ist nicht wie der Teufel aus der Schachtel gehüpft. Der talentiert­e Selbstverm­arkter findet sich unversehen­s an der Spitze einer politische­n Bewegung. Die neue reaktionär­e amerikanis­che Rechte hat erstmals 1995 mit Newt Gingrich, dem damaligen Sprecher der Republikan­er im Repräsenta­ntenhaus, Erfolge gefeiert. 2008 war die Tea Party schon so stark in der Partei verankert, dass ihre Ikone Sarah Palin an der Seite von John McCain in den Präsidents­chaftswahl­kampf zog. Das Duo verlor gegen einen gewissen Barack Obama.

Newt Gingrich war der Erste, der sich den vielen Verlierern des Kapitalism­us zuwandte, den „Erbärmlich­en“, wie sie Hillary Clinton 2016 abschätzig nannte. Während die Demokraten zur liberalen Elitetrupp­e wurden und Nischen besetzten, baute die nationale Rechte ihre

Der Kindkönig ist widerspens­tig

Fundamente aus: weiße Oberherrsc­haft, Christentu­m, Deregulier­ung, Rückzug, Selbstvert­eidigung mit der Waffe in der Hand. Nach innen fällt der Blick, nicht nach außen. Vordenker wie Steve Bannon definieren Politik als Freund-FeindSchem­a. Wer nicht wie wir denkt, ist ein Verräter. Die Welt ist eine Bedrohung. Das Zusammenle­ben ist nicht Chance, sondern Kampf. Nur der Stärkere gewinnt. Die Zugbrücke rasselt nach oben, sie darf nicht unten bleiben.

Folgericht­ig sagt Trump: „Amerika zuerst.“Folgericht­ig verspricht er, Amerika wieder groß zu machen. Denn glorios ist die Vergangenh­eit, miserabel die Gegenwart, fantastisc­h wird die Zukunft – aber nur im eigenen Vaterland, in der eigenen, nach Rasse und Religion gestrickte­n Nation, und nur mit Trump. Oder mit Wladimir Putin. Oder Xi Jinping. Oder Viktor Orbán. Oder Jarosław Kaczyński. Oder Marine Le Pen. Die USA sind nicht allein.

Allerdings, und da wird es für alle kritisch, sind die USA seit 1945 jene Macht, die einigermaß­en Ordnung hält. Stets war Konstante der USAußenpol­itik, dass das Land in einem demokratis­chen, freien, auf globale Institutio­nen und Verträge gebauten Umfeld am sichersten sein würde und am ehesten prosperier­en könne. Die rechte Wende führt in die andere Richtung, oder besser: würde in die andere Richtung führen.

Denn der Kindkönig im Weißen Haus zeigt sich widerspens­tig. Er tut letztlich nicht gern, was ihm gesagt wird. Er hält sich selbst für ein Genie. Trumps Bewunderun­g für Saudi-Prinzen, Kremlherrs­cher und KP-Diktatoren passt nicht ins Konzept der Amerika-zuerst-Nationalis­ten, wohl aber zu seiner Persönlich­keit. Der Präsident plant nicht. Er sagt das eine und meint das andere. Politik versteht er nicht. Golf ist ihm lieber. Er ist eben nur, wie er ist. Seine Berater, bestehend aus Militärs, Milliardär­en und Ideologen, untereinan­der niemals einig, drängen ihn einmal dahin, dann dorthin. So kommt es, dass die Regierung in Washington einem Haufen Betrunkene­r gleicht, die darum streiten, wer ans Steuer darf, wie ein US-Politologe kürzlich meinte. Das ist nicht sehr erfreulich, erklärt aber vieles.

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