Donald Trump ist das kleinere Problem
Der amerikanische Präsident dient als Identifikationsfigur einer reaktionären Rechten. Dass er das versteht, ist zu bezweifeln.
Die Präsidentschaft begann mit einer Lüge. Nach seiner Amtseinführung am 20. Jänner 2017 behaupteten Donald Trump und seine Sprecher, die Zusehermenge sei gewaltig wie nie zuvor gewesen. Das war offenkundig falsch. Doch bis heute besteht Trump darauf, dass diese Lüge Wahrheit sei. Damals schon zeichnete sich ab, dass eine der großen Hoffnungen enttäuscht werden würde. Donald Trump, Entertainer, TV-Reality-Star, mäßig erfolgreicher Unternehmer, werde wohl nicht mit seinem Amt als Führer der westlichen Welt wachsen.
In diesem ersten Jahr seiner Präsidentschaft führte der 71-Jährige vor, wie wenig er versteht und weiß von Gewaltenteilung, demokratischen Institutionen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Zusammenhängen und wie wenig ihn, vor allem, das interessiert.
Für Trump gibt es nur Trump. Er kann den Mund nicht halten. Er muss der Größte sein, der Beste. Er braucht Bewunderung und Zuneigung. Er ist launisch, wütend, deprimiert, trotzig. Er lügt, streitet ab, will nicht verantwortlich sein. Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ist seit 60 Jahren Kind geblieben und wird von seinen Beratern – und den Führern anderer Länder – auch mehr und mehr so behandelt.
Donald Trump ist nicht anders als vor seiner Wahl. Dass er sie gewonnen hat, war für ihn selbst die größte Überraschung. Doch er ist nicht wie der Teufel aus der Schachtel gehüpft. Der talentierte Selbstvermarkter findet sich unversehens an der Spitze einer politischen Bewegung. Die neue reaktionäre amerikanische Rechte hat erstmals 1995 mit Newt Gingrich, dem damaligen Sprecher der Republikaner im Repräsentantenhaus, Erfolge gefeiert. 2008 war die Tea Party schon so stark in der Partei verankert, dass ihre Ikone Sarah Palin an der Seite von John McCain in den Präsidentschaftswahlkampf zog. Das Duo verlor gegen einen gewissen Barack Obama.
Newt Gingrich war der Erste, der sich den vielen Verlierern des Kapitalismus zuwandte, den „Erbärmlichen“, wie sie Hillary Clinton 2016 abschätzig nannte. Während die Demokraten zur liberalen Elitetruppe wurden und Nischen besetzten, baute die nationale Rechte ihre
Der Kindkönig ist widerspenstig
Fundamente aus: weiße Oberherrschaft, Christentum, Deregulierung, Rückzug, Selbstverteidigung mit der Waffe in der Hand. Nach innen fällt der Blick, nicht nach außen. Vordenker wie Steve Bannon definieren Politik als Freund-FeindSchema. Wer nicht wie wir denkt, ist ein Verräter. Die Welt ist eine Bedrohung. Das Zusammenleben ist nicht Chance, sondern Kampf. Nur der Stärkere gewinnt. Die Zugbrücke rasselt nach oben, sie darf nicht unten bleiben.
Folgerichtig sagt Trump: „Amerika zuerst.“Folgerichtig verspricht er, Amerika wieder groß zu machen. Denn glorios ist die Vergangenheit, miserabel die Gegenwart, fantastisch wird die Zukunft – aber nur im eigenen Vaterland, in der eigenen, nach Rasse und Religion gestrickten Nation, und nur mit Trump. Oder mit Wladimir Putin. Oder Xi Jinping. Oder Viktor Orbán. Oder Jarosław Kaczyński. Oder Marine Le Pen. Die USA sind nicht allein.
Allerdings, und da wird es für alle kritisch, sind die USA seit 1945 jene Macht, die einigermaßen Ordnung hält. Stets war Konstante der USAußenpolitik, dass das Land in einem demokratischen, freien, auf globale Institutionen und Verträge gebauten Umfeld am sichersten sein würde und am ehesten prosperieren könne. Die rechte Wende führt in die andere Richtung, oder besser: würde in die andere Richtung führen.
Denn der Kindkönig im Weißen Haus zeigt sich widerspenstig. Er tut letztlich nicht gern, was ihm gesagt wird. Er hält sich selbst für ein Genie. Trumps Bewunderung für Saudi-Prinzen, Kremlherrscher und KP-Diktatoren passt nicht ins Konzept der Amerika-zuerst-Nationalisten, wohl aber zu seiner Persönlichkeit. Der Präsident plant nicht. Er sagt das eine und meint das andere. Politik versteht er nicht. Golf ist ihm lieber. Er ist eben nur, wie er ist. Seine Berater, bestehend aus Militärs, Milliardären und Ideologen, untereinander niemals einig, drängen ihn einmal dahin, dann dorthin. So kommt es, dass die Regierung in Washington einem Haufen Betrunkener gleicht, die darum streiten, wer ans Steuer darf, wie ein US-Politologe kürzlich meinte. Das ist nicht sehr erfreulich, erklärt aber vieles.