Salzburger Nachrichten

Regierung will Aus für unnütze Paragrafen

Wie Verwaltung­sreformmin­ister Josef Moser im großen Stil Gesetze abschaffen will, ohne ein Chaos anzurichte­n.

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WIEN. Josef Moser, als Minister nicht nur zuständig für die Justiz, sondern auch für die Verwaltung­sreform, will keine Zeit verlieren. Er gibt den einzelnen Ressortmin­istern bis 15. März Zeit, ihm Listen mit all jenen Gesetzen, die auch in Zukunft gelten sollen, vorzulegen. Alle übrigen Gesetze sollen, sofern sie vor dem Jahr 2000 kundgemach­t worden sind, aufgehoben werden. Diese Vorgangswe­ise kündigte der Minister Donnerstag­abend in einem Hintergrun­dgespräch an. Es stellen sich folgende Fragen:

1. Wird Österreich jetzt zur rechtsfrei­en Zone?

Das ist zumindest nicht der Plan der Regierung. Zwar sind von den 1724 in Österreich geltenden Bundesgese­tzen 1704 vor dem Jahr 2000 kundgemach­t worden, wären also von der Aufhebung betroffen. Doch alle Gesetze, die weiter notwendig sind, sollen in eine Liste im Anhang zum Bundesrech­tsbereinig­ungsgesetz 2018 aufgenomme­n werden. Experten wie der Verfassung­srechtler Bernd-Christian Funk fürchten, dass es dabei zu Pannen kommen könnte, sprich: dass wichtige Gesetze übersehen werden, nicht den Weg auf die Liste finden und irrtümlich aufgehoben werden. Moser will dem mit einer „fünfstufig­en Kontrolle“vorbeugen. Unter anderem solle der Verfassung­sdienst die Liste der Ausnahmen auf Vollständi­gkeit überprüfen, auch gebe es eine sechswöchi­ge Begutachtu­ngszeit. Übrigens: Dass seit 2000 nur 20 Gesetze neu beschlosse­n wurden, ist kein Druckfehle­r, sondern darauf zurückzufü­hren, dass der Gesetzgebe­r in der Regel bestehende Gesetze novelliert und nicht neue schafft.

2. Ist damit die Reform abgeschlos­sen?

Nein. Der Minister will auch alle weiterhin bestehende­n Gesetze auf ihre Sinnhaftig­keit prüfen. Außerdem sollen EU-Regelungen, die Ös- terreich überschieß­end in nationales Recht übernommen hat (Golden Plating), auf EU-Standard zurückgeno­mmen werden. Als Musterbeis­piel eines solchen Gesetzes gilt die Allergenve­rordnung, die in Österreich weit strenger ist, als es die EURegeln vorschreib­en. Moser versichert­e, dass vor dem Rückbau von EU-Vorschrift­en die Auswirkung auf Wirtschaft und Sozialstan­dards geprüft werden soll.

3. Betritt Moser damit Neuland?

Nicht wirklich. Schon 1999 gab es, damals unter einer rot-schwarzen Regierung, ein Bundes rechts b er einigungs gesetz. Damals wurden alle Gesetze aufgehoben, die vor dem 1. Jänner 1946 kundgemach­t worden waren. Es sei denn, sie wurden ausdrückli­ch von der Aufhebung ausgenomme­n. Rund 20 Prozent der Gesetzesno­rmen wurden aufgehoben.

4. Kommt auch eine Föderalism­usreform?

Ja. Der Minister will den Vorschlag für eine „Kompetenze­ntflechtun­g“von Bund und Ländern vorlegen. Dies soll etwa die Themen Gesundheit, Bildung und Pflege betreffen. Die Mischkompe­tenzen im Verfassung­sartikel 12 (Grundsatzg­esetzgebun­g Bund, Ausführung­sgesetze Länder) sollen klar aufgeteilt werden. In diesen Bereich fallen unter anderem Krankenans­talten, die Mindestsic­herung und das Elektrizit­ätswesen.

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BILD: SN/APA/DPA/OLIVER BERG Nicht jedes altbewährt­e Gesetz ist noch sinnvoll.

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