Maltas kleine Schwester. Auf der Insel Gozo sollte man eine Pause vom Trubel um die Kulturhauptstadt 2018 einlegen.
Maltas kleine Schwester. Auf der Nachbarinsel Gozo sollte man eine Pause vom Trubel um die Kulturhauptstadt 2018 einlegen.
Der Titel Valletta2018 ist etwas irreführend. Es muss halt – so wollen es die Richtlinien des Europäischen Kulturhauptstadtjahrs – eine Stadt sein. Nun ist Malta als Insel allerdings nicht einmal so groß wie Wien. Selbst wenn man die kleine Schwesterinsel Gozo mitrechnet, fehlen noch hundert Quadratkilometer. Doch so dicht liegen die kulturellen Highlights des Archipels beieinander, dass es nur logisch ist, das gesamte Staatsgebiet zur Kulturhauptstadt zu erklären. Die Malteser nutzen diese Chance, recht geschickt sogar. Sie bereiten sich seit Langem akribisch vor, schon Ende 2017 hatten sie sämtliche Locations fertig herausgeputzt. Zwar auch, aber nicht nur für ihre Gäste. „Wir wollen die Gelegenheit nutzen, den Einheimischen ihre ureigene Kultur näherzubringen“, erklärt Artdirector Josianne Micallef. Sie hat die grafische Gestaltung während der Vorbereitung übernommen, man spürt ihre Begeisterung für den Job. Mit ihren 28 Jahren kann sie sich noch an die alte Zeit erinnern, „die langweilige“, wie sie meint, die vor dem EU-Beitritt. Der hat dem Land einen Entwicklungsschub verschafft. Nicht nur wirtschaftlich, viel mehr noch beeindruckt die gesellschaftliche Öffnung. Hatte man vor 15 Jahren noch Schwierigkeiten, ein wenig Nachtleben oder gar sich frei bewegende Jugendliche zu finden, pulsieren mittlerweile Kultur und Szene.
Heuer könnte es gar sehr belebt werden, wenn sich zu den reichlich einfliegenden Sonnenhungrigen auch noch Scharen Kulturinteressierter gesellen. Dann kann man es als Tourist immer noch so halten wie die Einheimischen, wenn es ihnen am Wochenende zu eng wird auf Malta. Einfach losfahren nach Nordwesten und von Ċirkewwa nach Mġarr übersetzen, am besten ohne Automobil und riskanten Linksverkehr, denn vom Flughafen fährt alle 30 Minuten ein Bus mit der leicht zu merkenden Nummer X1 bis ans andere Ende der Insel. In einer knappen Stunde hat man so nebenbei praktisch ganz Malta gesehen, jedenfalls die Nordostküste, kriegt bei der Überfuhr auch noch das Inselchen Comino zu Gesicht, um schließlich unter dem Schutz des Fort Chambray im Hafen von Mġarr einzulaufen.
Die Festung war das letzte namhafte Bauprojekt der Johanniter auf den Inseln, zu verlockend war die wehrlose, spärlich besiedelte Insel für die osmanischen Feinde. Nicht nur dass die Kreuzritter ihre ganze Verteidigungskunst auf Malta konzentriert hatten, ließ das kleine Gozo als gute Beute erscheinen, sondern es war vor allem auch die üppige Fauna, die einen Überfall verlockend machte. Während drüben die hohen Herren den kahlen Fels zur Festung ausbauten, entlockten die bodenständigen Gozitaner der fruchtbaren Erde reiche Ernte. Das hat sich bis heute nicht geändert, noch immer kommt auf Gozo der Salat ganz selbstverständlich auf den Tisch, während man mit solch einer Bestellung im Wirtshaus auf Malta eher ratlose Blicke erntet.
Fürs private Hauptquartier bietet sich die Inselhauptstadt an – seit dem Thronjubiläum der damaligen Monarchin ebenfalls Victoria genannt, amtlich-maltesisch ir-Rabat, das ist Arabisch für „befestigter Ort“. Die trutzige Zitadelle haben die Araber gegen Piratenüberfälle errichtet, trotzdem wurde 1551 fast die gesamte Bevölkerung geraubt und nach Nordafrika verkauft. Mit der Ankunft der Briten 1814 ging es wieder bergauf, sogar eine eigene Oper wurde errichtet, das „Aurora Opera House“, und gleich daneben hat sich 1968 die Soċjetà Filarmonika La Stella ihr eigenes Teatru Astra gegönnt. Dass Konkurrenz den Markt belebt, wird übrigens im April wieder zu hören sein, wenn ScalaStar Miriam Gauci im Aurora beim zwölften „Gaulitana Festival“in ihrer Heimat in der Titelrolle der „Norma“auftritt. Und im Herbst auch gleich noch die Tosca gibt, diesmal im Rahmen von Valetta2018. So ist Abwechslung in Victorias Opernszene garantiert, denn, wie oben bereits erwähnt, man macht das hier nicht nur für die Touristen.
Das gilt auch für die Faschingsumzüge. Fünf Tage lang geht es bunt kostümiert kreuz und quer von Dorf zu Dorf über die bereits blühende Insel, Endstation des ausgelassenen Zugs ist am Rosenmontag in der Hauptstadt. Nach den mehr oder weniger brav katholisch durchgefasteten 40 Tagen beginnen dann die Osterfestivitäten mit der lebensnahen Darstellung des Leidenswegs Christi, während „Kunfratija“genannte Truppen den Gekreuzigten durch die Stadt schleppen. „Gerade zu Ostern erkennt man unsere gemeinsame Geschichte mit dem Königreich beider Sizilien“, erklärt Anna Azzopardi, die mit ihrer Zwillingsschwester die „Casa Gemelli“führt, ein feines BoutiqueHotel im Schatten der Zitadelle. Ebendort, wo sich vor der Türe auf der Republic Street je nach Jahreszeit Faschingsnarren, Jesusträger oder Opernliebhaber tummeln. Wer abends von einer Inselwanderung zurückkommt, den locken die Rufe sizilianischer Pizzaioli in die Trattoria nebenan, oder man spaziert noch zu Rikardu in die Zitadelle, um die Köstlichkeiten aus eigenem Anbau zu probieren. Die Zutaten dafür wachsen entlang des Weges von den Megalith-Tempeln von Ġgantija über die Grotte der Kalypso bis zu den Salzminen von Żebbuġ. Gleich nebenan. Ein überschaubares Paradies.