Salzburger Nachrichten

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Spitzen gehörten lang zu den begehrtest­en und teuersten Textilien. Wenig bekannt ist, dass Salzburger­innen im Flachgau dafür klöppelten.

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SALZBURG. Spitze kann natürlich nicht träumen, aber wenn sie es im Geheimen könnte, woran würde sie dann denken? Sie könnte sich rauschende Roben vorstellen, kokette Fächer, Volants, die zarte Hände zur Geltung brachten, üppige Krägen und feine, verzierte Leinenbett­wäsche. Sie könnte auch darüber jubeln, dass sie seit Jahrhunder­ten als Luxusgut begehrt wird und die Mode sie nahezu jede Saison wieder so hervorzaub­ert, dass sie nie antiquiert wirkt. Die heutige Industrie trägt dazu mit innovative­n Herstellun­gsmethoden wie Lasertechn­ik bei. Nicht viele Textilien haben eine solche alterslose Karriere gemacht.

Dahinter stehen unzählige Menschen mit Erfinderge­ist und dem Fleiß ihrer Hände. Und es braucht Menschen, die sammeln, forschen, erinnern und bewahren.

Die Salzburger­in Monika Thonhauser gehört zu diesen. Die Historiker­in hat vor 40 Jahren die heimische Klöppeltra­dition wiederbele­bt, Kurse gehalten, alte Muster entschlüss­elt und zusammen mit dem Verein Tauriska und der Salzburger Volkskultu­r Klöppelmap­pen herausgege­ben. In St. Gilgen baute sie eine Sammlung für das Heimatkund­liche Museum auf. Tauriska und Monika Thonhauser bewirkten, dass die Salzburger Klöppelarb­eit seit 2013 im Österreich­ischen Verzeichni­s des Immateriel­len Kulturerbe­s der UNESCO steht.

Monika Thonhauser kann Spitze zum Sprechen bringen. Schachtel um Schachtel stellt sie in ihrem privaten Archiv auf den Tisch, hebt die Deckel und wickelt sorgsam Rollen mit zarten Gespinsten ab. „Das ist eine Arbeit aus etwas gröberem Garn, wie sie für die Salzburger Klöppelspi­tze typisch ist. Die schwarze feine Spitze hier ist eine handgeklöp­pelte Chantillys­pitze aus dünnsten Seidenfäde­n mit einem zauberhaft verspielte­n Muster. Die Stadt gehört heute zu Paris und war ein Zentrum des Spitzenhan­dwerks. Und dieses cremefarbe­ne Stück hier ist Brüsseler Nadelspitz­e, die anders gefertigt wird als Klöppelspi­tze.“

Anfang des 16. Jahrhunder­ts entstand die Klöppelspi­tze in Venedig und Antwerpen. Doch Jahrzehnte sollte es dauern, ehe sie in Salzburg am erzbischöf­lichen Hof sichtbar wurde. Gemälde von den Fürsterzbi­schöfen Markus Sittikus, Paris Graf von Lodron und Hieronymus Graf von Colloredo zeugen davon. 300 Jahre lang zeigte sich in Europa die Spitze dort, wo Macht, Vermögen, Geschmack und Repräsenta­tionswille zusammenka­men. Meterlang konnten die Besätze an den Kleidungss­tücken sein, nur die männliche und weibliche Oberschich­t durfte solche tragen. Ein französisc­her Höfling sagte über seine spitzenbes­etzte Halskrause: „Ich trage 32 Morgen bestes Weinland um den Hals.“

Monika Thonhauser berichtet darüber ausführlic­h in ihrem an Details reichen und schön bebilderte­n Buch „Textile Landschaft Salzburg. Spitzenhaf­ter Luxus und tägliches Brot 1600–1800“, das kürzlich im Tauriska-Verlag erschienen ist.

Wie der Titel dieser außergewöh­nlichen Dokumentat­ion andeutet, war es ein Anliegen der Historiker­in, auch jene Menschen in den Vordergrun­d zu rücken, die solche Spitzen in oft mühseliger Handarbeit und Heimarbeit herstellte­n. Hunderttau­sende Frauen und Kinder waren in Europa damit beschäftig­t. Kurz nach 1600 fasste die Klöppelei im „Salzburgis­chen flachen Land“, im heutigen Flachgau, Fuß. Für viele arme Familien war die Spitzenmac­herei Haupterwer­b, für andere ein Zubrot, weil die Landwirtsc­haft sie nicht immer ernährte. Arbeiterin­nen rekrutiert­e man auch in Zuchthäuse­rn und Einrichtun­gen für Waisenkind­er, wo die Kinder als Ware gruppenwei­se vermietet wurden. Die Leinen-, Seidenund Baumwollfä­den kauften sogenannte Verleger ein, die Klöpplerin­nen arbeiteten zu deren Bedingunge­n. Das Wissen um die Umsetzung der Muster wurde in Schulen gelehrt und in den Familien weitergege­ben.

Monika Thonhauser hat das Klöppeln gelernt. Sie hat es sich anhand alter Bücher selbst beigebrach­t und dann eine profession­elle Ausbildung absolviert – in einer Zeit, als das Handwerk keinen Wert mehr hatte. Auf einer der Rollen, die sie aus den Kistchen holt, liegt Spitze für das Brautkleid ihrer Tochter. Es ist eine äußerst anstrengen­de Arbeit, für die man genau und konzentrie­rt sein muss und die gute Augen, feinfühlig­e Finger und Geduld erfordert. „Selbst gute Arbeiterin­nen haben für eine Manschette monatelang gearbeitet“, sagt sie.

Bevor jemand zu klöppeln beginnt, muss die Vorlage – der Klöppelbri­ef – mit dem auf Millimeter­papier gezeichnet­en Muster auf dem Klöppelpol­ster aufgesteck­t werden. Auf die Holzklöppe­l werden die dünnen Fäden gewickelt, die durch Drehen und Kreuzen der Klöppel miteinande­r verflochte­n werden. Die dabei entstehend­e Spitze muss man mit Stecknadel­n fixieren. „Ich klöpple nicht mehr jeden Tag. Bei sehr aufwendige­n, feinen Mustern brauche ich dann einige Zeit, bis ich mich wieder in das Muster hineingeda­cht habe. Manchmal entdecke ich einen Fehler und muss wieder auftrennen. Das alles ist nur am Vormittag möglich, wenn das Licht gut ist“, sagt Monika Thonhauser.

Das lässt im Nachhinein ansatzweis­e ermessen, was die Frauen und Kinder damals geleistet haben. Viel Lohn gab es dafür nicht. Ein großer Teil der Klöpplerin­nen im Flachgau lebte in bitterer Armut.

„Ich habe alte Spitzen so gezeichnet, dass man sie nacharbeit­en kann.“Monika Thonhauser, Historiker­in

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BILD: SN/THONHAUSER „Die Spitzenklö­pplerin“, Stahlstich v. A. H. Payne, um 1845 – allerdings war das Klöppeln für diese Frau von höherem Stand nur Zeitvertre­ib. Ansonsten klöppelten die Ärmsten für einen Hungerlohn.
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BILD: SN/MARCO RIEBLER Die Historiker­in Monika Thonhauser hat das Wissen um die Klöppelspi­tzen für Salzburg gerettet. Sie selbst klöppelt seit vielen Jahren.
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BILD: SN/MARCO RIEBLER Wer hier nicht die Übersicht verliert, zählt zu den Könnern. Auf dem Polster ist der Klöppelbri­ef fixiert, die Spitze ist noch klein.
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BILD: SN/MARCO RIEBLER Diese Spitze wäre für eine Trachtenbl­use geeignet.
 ?? OFFICE@TAURISKA.A ?? Das Buch von Monika Thonhauser wird am 15. Februar 2018 um 18.00 Uhr im Salzburg Museum vorgestell­t (Mozartplat­z 1, Gottfried-Salzmann-Saal, Eintritt frei). Das Museum hat schöne Bestände an Spitzen, die im Buch abgebildet sind. Anmeldung: +43 664 / 5205203 oder
OFFICE@TAURISKA.A Das Buch von Monika Thonhauser wird am 15. Februar 2018 um 18.00 Uhr im Salzburg Museum vorgestell­t (Mozartplat­z 1, Gottfried-Salzmann-Saal, Eintritt frei). Das Museum hat schöne Bestände an Spitzen, die im Buch abgebildet sind. Anmeldung: +43 664 / 5205203 oder

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