Salzburger Nachrichten

Die neue Art der Entschleun­igung – drosseln, wo immer es geht

Wieder einmal hat der Computerko­nzern Apple die Nase vorn. Er zeigt, dass es sich auszahlt, ab und zu Tempo rauszunehm­en.

- WWW.SN.AT/WIENS MARKT PLATZ Richard Wiens

Wir erinnern uns, alles begann mit VW. Dort hatten schlaue Ingenieure die geniale Idee, eine Software einzubauen, mit der sich der Ausstoß der Schadstoff­e drosseln ließ. Blöd war nur, dass die US-Behörden dahinterka­men und bei den Strafen war es dann vorbei mit dem Drosseln, da wurde Vollgas gegeben. Aber die Idee des Drosselns ist damit nicht zu Grabe getragen worden. Im Gegenteil, sie erfreut sich allseits großer Beliebthei­t – gewisserma­ßen als neue Form der Entschleun­igung, nach der in der Wirtschaft neuerdings so viele streben.

Ein Vorzeigeun­ternehmen in dieser Hinsicht ist der Computerko­nzern Apple. Der steht ja eigentlich für Tempo – in der Innovation, in der Präsentati­on neuer Produkte, die ihre Anhänger so sehr begeistern, dass sie sich stundenlan­g dafür anstellen. Man kann das schon als einen Beitrag Apples zur Entschleun­igung einer Gesellscha­ft sehen, in der viele das Tempo, das vorgegeben wird, nicht halten können.

Aber damit lässt es Apple nicht bewenden. Angesichts der Debatte, ob die Menschen mit dem, was ihnen ihre iPhones und iPads in Sekundensc­hnelle liefern, nicht überforder­t sind, hat man reagiert und Anleihe bei den Autobauern genommen. Mittels eines Softwareup­dates wurde sozusagen eine virtuelle Drosselkla­ppe eingebaut, die die Geräte langsamer macht. Das tue man nur, um altersschw­ache Batterien zu schonen und zu verhindern, dass sich Smartphone­s von allein abschalten, beteuert Apple.

So viel Fürsorge ist rührend. Aber weil ein gewinnorie­ntiertes Unternehme­n allein vom Drosseln nicht gut leben kann, muss es ab und zu auch in die Gegenricht­ung gehen. Italien will gegen Apple und seinen schärfsten Konkurrent­en Samsung vorgehen. Man wirft den Konzernen vor, bewusst Teile einzubauen, die schnell verschleiß­en und so die Abnutzung der Geräte beschleuni­gen. Apple sagt, man wolle die Lebensdaue­r verlängern, nicht verkürzen.

Apropos verkürzen. Diese Woche kündigte Apple die bisher größte Drossel-Aktion an, es geht um die Steuer auf Gewinne, die der Konzern im Ausland gemacht hat. Apple-Chef Tim Cook will bis zu 250 Mrd. Dollar in die USA zurückhole­n und die Amnestie nützen. Demnach werden Auslandsge­winne einmalig mit 8 bis 15,5 Prozent besteuert, zudem wird der normale Steuersatz für Unternehme­nsgewinne von 35 auf 21 Prozent gesenkt. Apple liefert 38 Mrd. Dollar an den Fiskus ab, spart sich laut Experten aber eine ähnlich hohe Summe. Präsident Donald Trump wird das freuen, er kann es als Erfolg seiner Steuerrefo­rm verbuchen. Apple sollte sich im Wechsel zwischen Drosseln und Beschleuni­gen aber der Newton’schen Erkenntnis besinnen. Anders als bei der Steuer kommt man an der Schwerkraf­t nicht vorbei, auch der schönste Apfel fällt irgendwann zu Boden.

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