„Dieser Sieg wäre mein Traum“
Aksel Lund Svindal gewann den Super G von Kitzbühel – doch dass der 35-Jährige überhaupt noch fährt, ist auch dem fehlenden Triumph bei der (heutigen) Streif-Abfahrt geschuldet.
KITZBÜHEL. Mit dem Begriff Schicksal sollte man gerade im Journalismus vorsichtig umgehen – zu viele Orte sind „Schicksalsorte“, zu viele Spiele „Schicksalsspiele“. Doch wenn der Begriff einmal stimmig ist, dann im Fall von Aksel Lund Svindal und Kitzbühel. Denn die Streif hat einerseits seine Karriere fast beendet und andererseits war sie die größte Triebfeder für sein Comeback. Denn vermutlich fährt Aksel Lund Svindal auch deswegen noch, weil er noch nie auf der Streif die Abfahrt gewonnen hat. Das kann ihm am heutigen Samstag (11.30, live ORF eins) bei seinem 13. Antreten hier gelingen.
Dass er in Form ist, das hat er am gestrigen Freitag eindrucksvoll gezeigt. Svindal gewann den ungewöhnlichsten Super G, den Kitzbühel jemals gesehen hat, in überlegener Manier vor seinem Landsmann Kjetil Jansrud. Regen und Schnee machten den unteren Streckenteil in das Ziel unbefahrbar und so entschied sich FIS-Rennleiter Markus Waldner zu einer kuriosen Lösung, die am Donnerstag schon im Abfahrtstraining probiert worden war: Start ab Mausefalle, Ziel vor dem Hausberg. Diese Passage wurde noch nie bei einem Super G gefahren und hatte auch für die Läufer ein kurioses Detail parat: An der Ziellinie gab es keine Bildschirme, auf denen man Informationen über Fahrt, Zeit und Platzierung erhalten hätte. So blickte sich Svindal fragend um, ehe er einen Physiotherapeuten des norwegischen Teams sah, der ihm mit erhobenem Daumen die Bestzeit anzeigte.
Selbstsicher war Svindal erst im Ziel, nicht aber am Start. „Im Super G kann man sich nie zu sicher sein, vor allem auf einer Strecke, die man noch nicht gefahren ist.“
Anders sei es in der Abfahrt. Da hat Svindal mit den größten Erfahrungsschatz auf der Streif. Nur: Zum Sieg hat es noch nicht gereicht, ein zweiter Platz war hier seine beste Platzierung. Bis 2016 seine Karriere hier fast ganz zu Ende gegangen wäre. Am 23. Jänner 2016 kam Svindal wie auch Hannes Reichelt und Georg Streitberger an der Traverse am Hausberg schwer zu Sturz. Auf der Ideallinie, die nur wenige Fahrer damals fahren konnten, war ein Loch, das man in der Dunkelheit nicht erkennen konnte – das wurde allen drei zum Verhängnis. Zu diesem Zeitpunkt lag Svindal im Rennen vorn und mit über 100 Punkten auf Hirscher auch im Gesamtweltcup. Doch dann kam alles anders und Svindal fiel mit Kreuzbandriss aus. Ein Jahr später kam es noch schlimmer, sein mannigfach geschädigtes Knie erzwang neuerlich ein frühzeitiges Saisonende, Svindal kam 2017 erst gar nicht nach Kitzbühel.
So war der gestrige Super G sein erstes Rennen in Kitzbühel nach dem fatalen Sturz 2016. „Ein ganz besonderes Rennen mit ganz besonderen Emotionen“, wie Svindal danach gemeint hat. „Es ist mit der ganzen Vorgeschichte schon etwas Besonderes, hier zu gewinnen.“Es war sein dritter Super-G-Erfolg in Kitzbühel nach 2013 und 2016. Ein Sieg, der ihn zwar gefreut hat, den er aber gern gegen den Sieg in der Abfahrt eintauschen würde. „Ehrlich: Es gibt ein Rennen, das ich gern gewinnen würde, das ist die Abfahrt auf der Streif. Dafür würde ich auch den einen oder anderen Super-G-Sieg eintauschen, wenn es möglich wäre.“
Denn auch Svindal, mittlerweile 35 Jahre alt, weiß, dass für ihn die Zeit läuft. „Ich weiß nicht, wie lange ich noch fahren kann. Vielleicht sind es fünf Jahre, vielleicht ist nach der Saison Schluss.“
Wäre nach der Saison Schluss, dann hätte er wenigstens seiner neuen Lebensgefährtin Gitte Lill Paulsen einmal Kitzbühel gezeigt. Das norwegische Fotomodell ist seit Wochenbeginn mit dem König der Abfahrt (in der Saison in fünf Rennen zwei Siege, zwei Mal Zweiter und ein Mal Dritter) im idyllisch verschneiten Kitzbühel. Vielleicht der letzte Mosaikstein zum Erfolg. „Sie war auch im Grödnertal mit und da habe ich gewonnen. Sie bringt mir also Glück. Aber sonst hätte ich sie ja gar nicht mitgenommen“, meinte er scherzend.
Dass mit Kjetil Jansrud ein scharfer Konkurrent just aus dem eigenen Team kommt, ist für Svindal kein Problem. „Wir vergönnen uns im Team gegenseitig die Erfolge. Er kann noch viel gewinnen. Es muss ja nicht an diesem Samstag sein.“
„Ich würde den Super-G-Sieg eintauschen.“Aksel Lund Svindal, Skifahrer