„Mein Vater hat die Sonne geschickt“
Thomas Dreßen gewinnt als erster Deutscher seit Sepp Ferstl 1979 die Abfahrt auf der Streif. Dank eines himmlischen Fingerzeigs und einer nachträglich kurios anmutenden Startnummernvergabe.
KITZBÜHEL. Diesen Sieg hat ihm wohl jeder im Weltcup gegönnt: Der erst 23-jährige Deutsche Thomas Dreßen krönte den heurigen Höhenflug der deutschen Abfahrer mit einem letztlich aber doch überraschenden Sieg auf der Kitzbüheler Streif. Dreßen war fassungslos. „Wollt ihr mich verar…“, dachte er sich, als er im Ziel abschwang. Dann blickte er ein zweites Mal auf die Anzeigetafel und brach in lauten und langen Jubel aus.
Dreßens Geschichte ist berührend und tragisch zugleich. Sein Vater, ein ehemaliger Biathlet, wollte aus seinem Sohn einen alpinen Skifahrer machen. Bei einem Seilbahnunglück kam er 2005 in Sölden ums Leben. „Manchmal denke ich, was er zu mir heute sagen würde“, meinte Dreßen in einem SN-Gespräch vor einem Monat im Grödnertal. An diesem Samstag wusste der Junior genau, was sein Vater für ihn getan hat. „Er hat heruntergeschaut und mir dieses Sonnenfenster geschickt.“
Tatsächlich hatte Dreßen bei seiner Fahrt mit Startnummer 19 deutlich bessere Verhältnisse als der Rest – vor allem als die ganz frühen Startnummern, die etwa Reichelt, Feuz, Jansrud oder Svindal gewählt hatten.
Daran kann man erkennen, welche Zufälle über Sieg und Niederlage entscheiden können. Da Max Franz erkrankt abgereist ist, kam Dreßen erstmals unter die Top 10 und durfte sich damit eine ungerade Startnummer zwischen 1 und 19 auswählen. Am Ende blieben Hannes Reichelt und Thomas Dreßen übrig, frei waren noch die Nummern 1 und 19. „Hoffentlich wird es nicht die 1, weil ich die Strecke nicht so gut kenne“, meinte Dreßen zu Reichelt. „Mach dir keine Sorgen, die nehme eh ich“, so Reichelt. Eine Entscheidung mit Tragweite. Dreßen: „Das war super. Ich sah mir die ersten fünf Fahrer im TV an und hatte dann auch noch das Glück mit dem Wetter.“
Spricht man mit Dreßen, der das Ski-Gymnasium Saalfelden besucht hat, über die Gründe für den deutschen Höhenflug, dann kommt man immer wieder auf den Teamspirit und die Trainer. Als der Vorarlberger Mathias Berthold 2014 vom ÖSV zurück zum DSV wechselte, tat er das mit dem Ziel, eine Mannschaft aufzubauen, die in allen Disziplinen siegen kann – auch in der Abfahrt. Dazu holte er den Salzburger Abfahrtstrainer Christian Schwaiger von den DSV-Damen zu den Herren.
Das Glück, das dem ersten deutschen Streif-Sieger seit Sepp Ferstl 1979 hold war, fehlte wieder einmal