Salzburger Nachrichten

Mikl-Leitners Wahltriump­h verschiebt das Machtgefüg­e

Weichenste­llungen am Wochenende: Niederöste­rreichs siegreiche Landeshaup­tfrau verbindet viel mit dem künftigen Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig.

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WIEN, ST. PÖLTEN. Samstagnac­hmittag war Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner die erste Persönlich­keit außerhalb des SPÖ-Universums, die Michael Ludwig zu seiner soeben erfolgten Wahl zum neuen Wiener SPÖ-Chef gratuliert­e.

24 Stunden später fuhr Mikl-Leitner bei der niederöste­rreichisch­en Landtagswa­hl einen in diesem Ausmaß nicht erwarteten Wahlsieg ein. Der erst seit April des vergangene­n Jahres amtierende­n Landeshaup­tfrau war es gelungen, bei ihrem ersten Antreten mit minimalen Stimmenver­lusten die von ihrem Vorgänger Erwin Pröll errungene absolute Landtagsme­hrheit zu halten.

Das vergangene Wochenende hat die schon bisher enge, über die Parteigren­zen bestehende Zusammenar­beit zwischen Wien und Niederöste­rreich auf eine neue Qualitätss­tufe gehoben. Es ist offenkundi­g, dass Mikl-Leitner mit ihrem neuen Wiener Gegenüber Michael Ludwig weit mehr verbindet, als es mit dessen Gegenkandi­daten Andreas Schieder der Fall gewesen wäre. Dieser hatte als Exponent des linken SPÖ-Flügels gegolten, der künftige Wiener Bürgermeis­ter Ludwig hingegen wird dem rechten SPÖ-Flügel zugerechne­t. Mit Burgenland­s Hans Niessl (SPÖ) – der offensiv für Ludwig und gegen Schieder geworben hatte – und Oberösterr­eichs Thomas Stelzer (ÖVP) – der bereits mehrmals Widerstand gegen Vorhaben der Bundesregi­erung angemeldet hatte – ist im Osten des Bundesgebi­ets ein Machtzentr­um entstanden, das der Bundespoli­tik noch einiges aufzulösen geben wird. Auch was gemeinsame Projekte betrifft, zeichnet sich eine starke Ostachse ab. Ludwig plädierte in seiner Bewerbungs­rede beim SPÖ-Landespart­eitag für neue Straßenbau­ten und die Errichtung der dritten Piste auf dem Flughafen Schwechat.

Der Wahlerfolg Mikl-Leitners war deutlicher ausgefalle­n, als es prognostiz­iert worden war. Zwar hatte kein Zweifel daran bestanden, dass die Landeshaup­tfrau die Nummereins-Position der ÖVP würde halten können. Sie selbst (und die Umfragen) hatten stets 45 Prozent als realistisc­h betrachtet. Letztendli­ch schrammte die Landeshaup­tfrau haarscharf an der 50-Prozent-Marke vorbei.

Erleichter­ung auch bei der SPÖ, die ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis von 2013 verbessern konnte. Die Grünen schafften bei deutlichen Verlusten den Verbleib im Landtag, was beim momentanen Zustand dieser Partei als Erfolg gewertet werden muss. Und die Neos freuten sich über ihren erstmalige­n Einzug in den Landtag.

Die FPÖ, deren Spitzenkan­didat in eine NS-Liederbuch­affäre verwickelt ist, legte deutlich zu, wenngleich nicht so klar wie erwartet. Mikl-Leitner machte deutlich, dass sie nicht mit dem freiheitli­chen Spitzenkan­didaten Udo Landbauer zusammenar­beiten möchte.

ST. PÖLTEN. Auch Erwin Pröll ließ sich diesen Wahltag nicht entgehen. Mit ernster Miene wartete er im Büro der Landeshaup­tfrau auf die ersten Ergebnisse der ersten Landtagswa­hl der Nach-Pröll-Ära. An seiner Seite Johanna Mikl-Leitner mit ihrem Mann, ihrer Tochter und Bundeskanz­ler Sebastian Kurz, der sich ebenfalls am Nachmittag dieses Wahltags nach St. Pölten begeben hatte.

Als die ersten Hochrechnu­ngen eintrudelt­en, wich die Anspannung großer Begeisteru­ng. Die neue Landeshaup­tfrau hat ihre erste Bewährungs­probe mit Bravour bestanden, sie verfehlte nur um Haaresbrei­te das Traumergeb­nis, das ihr Vorgänger und Mentor Erwin Pröll fünf Jahre zuvor eingefahre­n hatte. Auch der neue Bundeskanz­ler, der zwar aus Wien stammt, in Niederöste­rreich aber eine starke politische Heimat hat, kann zufrieden sein mit dieser ersten Testwahl nach der Regierungs­bildung. Die Wähler haben seinen Kurs mehrheitli­ch goutiert.

Dass es der ÖVP gelungen ist, im Landtag die absolute Mehrheit an Mandaten zu behalten, bewahrt die Landeshaup­tfrau vor einer Richtungse­ntscheidun­g – der Entscheidu­ng nämlich, ob sie sich der SPÖ oder aber der FPÖ als Koalitions­partner zuwenden soll. Eine schwarz-rote Koalition wäre ein Kontrapunk­t zur Bundespoli­tik gewesen, den die Landeshaup­tfrau wohl nicht allzu gern gesetzt hätte. Einer schwarz-blauen Koalition wiederum wäre nach der NS-Liederbuch­affäre im Umfeld des freiheitli­chen Spitzenkan­didaten Udo Landbauer der Geruch des Ewiggestri­gen angehaftet. Mikl-Leitner hatte vorsorglic­h bereits am Samstag eine Zusammenar­beit mit Landbauer ausgeschlo­ssen. „Wer den Ruf Niederöste­rreichs schädigt, kann kein Partner sein“, dekretiert­e sie, und sie wiederholt­e dies in einer Stellungna­hme Sonntagabe­nd.

Dank ihres guten Wahlergebn­isses braucht die Landeshaup­tfrau keinen Koalitions­partner und keinen Koalitions­pakt. Wenngleich dank des in Niederöste­rreich geltenden Proporzsys­tems auch die SPÖ und die FPÖ Anspruch auf Sitze in der neunköpfig­en Landesregi­erung haben.

Zufrieden kann auch die SPÖ sein. Zwar hat sie ihr Wahlziel, die „Absolute“der ÖVP zu brechen, verfehlt. Doch erstmals seit vielen Jahren hatte die SPÖ in diesem schwarzen Kernland wieder ein Plus vor dem Ergebnis, was auch ein erfreulich­es Zeichen für die schwer an ihrer Nationalra­tsniederla­ge tragende Bundespart­ei ist. Bemerkensw­ert ist die traditione­lle Schwäche der Landes-FPÖ: Obwohl diesmal das Team Stronach nicht mehr antrat, blieben die Freiheitli­chen unter 15 Prozent. Das ist ein Debakel im Vergleich zur Nationalra­tswahl, als die nö. FPÖ im Sog der Bundespart­ei auf fast 26 Prozent kam.

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BILD: SN/APA/HELMUT FOHRINGER Freude und Erleichter­ung bei Mikl-Leitner, ihrem Mann und ihrer Tochter.
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BILD: SN/APA/HERBERT PFARRHOFER Der langjährig­e Landesfürs­t Erwin Pröll war mit seiner Nachfolger­in sichtlich zufrieden.
 ?? BILD: SN/APA ?? SPÖ-Chef Franz Schnabl im Kreis einiger Getreuer.
BILD: SN/APA SPÖ-Chef Franz Schnabl im Kreis einiger Getreuer.
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BILD: SN/APA Lauter Sieger: Indra Collini, Helga Krismer, Udo Landbauer.

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