Niederösterreich bleibt anders
Absolute Mehrheiten gibt es nur noch im schwarzen Kernland. Das hat Gründe.
Aus welchem Grund werden Bundespräsidentenwahlen meist in einer Stichwahl entschieden? Damit das neue Staatsoberhaupt auf jeden Fall von der absoluten Mehrheit der Bürger gewählt ist und über eine besondere demokratische Legitimation verfügt. Was beim Bundespräsidenten zwei (neulich sogar drei) Wahlgänge erfordert, schafft die ÖVP in Niederösterreich regelmäßig in einem einzigen Wahlgang. Das ist immer wieder erstaunlich.
Ende der Parteibindungen, Mobilität der Wählerschaft – diese Entwicklungen scheinen um das schwarze Kernland einen Bogen zu machen. Die ÖVP regiert das Land offensichtlich zur vollsten Zufriedenheit der Mehrheit. Mit ihrem tief gestaffelten Parteiapparat hat sie Niederösterreich fest im Griff – ja, sie IST Niederösterreich. Sie führt das Land mit starker Hand und braucht keine mühsamen Kompromisse mit Koalitionspartnern zu schließen. Die in Umfragen immer wieder zutage tretende Sehnsucht nach einem starken Entscheider wird, so scheint’s, in Niederösterreich durch die ÖVP erfüllt.
Auch im Wahlkampf hat sie alles richtig gemacht. Es war gestern der letzte Sieg des Erwin Pröll: Im Unterschied zu Michael Häupl in Wien hat er seine Nachfolge rechtzeitig geregelt. Und dass seine Wahl dabei auf die frühere Innenministerin Johanna MiklLeitner fiel, bewies politisches Gespür. Immerhin ist das Thema Nummer eins auch in Niederösterreich die Frage der Zuwanderung.
Aber nicht nur die ÖVP, auch alle anderen Parteien konnten am Wahlabend zufrieden sein. Die SPÖ legte trotz Krise leicht zu. Die FPÖ hat sich trotz der Affäre um die germanischen Liederbücher annähernd verdoppelt. Die Grünen haben überlebt. Und die Neos schafften gleich beim ersten Antreten den Einzug in den Landtag. Möglich wurde das Wunder einer Wahl mit lauter Siegern durch das Nicht-mehrAntreten des Team Stronach, sodass diesmal fast zehn Prozent Wählerstimmen „am Markt“waren.
Zu den Gewinnern des Wahltags dürfen sich auch die neuen Koalitionsparteien im Bund zählen. Keine von beiden musste einen Regierungs- oder Regierungsbildungsmalus hinnehmen. Zwar blieben die Freiheitlichen weit unter ihrem Niveau auf Bundesebene, aber Niederösterreich war für die Blauen schon immer ein schwieriges Pflaster.
Die Taktik der Regierung, anfangs möglichst keine Unannehmlichkeiten zu verkünden, ist aufgegangen. Und sie wird fortgesetzt werden. Immerhin stehen im Frühjahr noch drei weitere Landtagswahlen an.