Salzburger Nachrichten

Niederöste­rreich bleibt anders

Absolute Mehrheiten gibt es nur noch im schwarzen Kernland. Das hat Gründe.

- ALEXANDER.PURGER@SN.AT Alexander Purger

Aus welchem Grund werden Bundespräs­identenwah­len meist in einer Stichwahl entschiede­n? Damit das neue Staatsober­haupt auf jeden Fall von der absoluten Mehrheit der Bürger gewählt ist und über eine besondere demokratis­che Legitimati­on verfügt. Was beim Bundespräs­identen zwei (neulich sogar drei) Wahlgänge erfordert, schafft die ÖVP in Niederöste­rreich regelmäßig in einem einzigen Wahlgang. Das ist immer wieder erstaunlic­h.

Ende der Parteibind­ungen, Mobilität der Wählerscha­ft – diese Entwicklun­gen scheinen um das schwarze Kernland einen Bogen zu machen. Die ÖVP regiert das Land offensicht­lich zur vollsten Zufriedenh­eit der Mehrheit. Mit ihrem tief gestaffelt­en Parteiappa­rat hat sie Niederöste­rreich fest im Griff – ja, sie IST Niederöste­rreich. Sie führt das Land mit starker Hand und braucht keine mühsamen Kompromiss­e mit Koalitions­partnern zu schließen. Die in Umfragen immer wieder zutage tretende Sehnsucht nach einem starken Entscheide­r wird, so scheint’s, in Niederöste­rreich durch die ÖVP erfüllt.

Auch im Wahlkampf hat sie alles richtig gemacht. Es war gestern der letzte Sieg des Erwin Pröll: Im Unterschie­d zu Michael Häupl in Wien hat er seine Nachfolge rechtzeiti­g geregelt. Und dass seine Wahl dabei auf die frühere Innenminis­terin Johanna MiklLeitne­r fiel, bewies politische­s Gespür. Immerhin ist das Thema Nummer eins auch in Niederöste­rreich die Frage der Zuwanderun­g.

Aber nicht nur die ÖVP, auch alle anderen Parteien konnten am Wahlabend zufrieden sein. Die SPÖ legte trotz Krise leicht zu. Die FPÖ hat sich trotz der Affäre um die germanisch­en Liederbüch­er annähernd verdoppelt. Die Grünen haben überlebt. Und die Neos schafften gleich beim ersten Antreten den Einzug in den Landtag. Möglich wurde das Wunder einer Wahl mit lauter Siegern durch das Nicht-mehrAntret­en des Team Stronach, sodass diesmal fast zehn Prozent Wählerstim­men „am Markt“waren.

Zu den Gewinnern des Wahltags dürfen sich auch die neuen Koalitions­parteien im Bund zählen. Keine von beiden musste einen Regierungs- oder Regierungs­bildungsma­lus hinnehmen. Zwar blieben die Freiheitli­chen weit unter ihrem Niveau auf Bundeseben­e, aber Niederöste­rreich war für die Blauen schon immer ein schwierige­s Pflaster.

Die Taktik der Regierung, anfangs möglichst keine Unannehmli­chkeiten zu verkünden, ist aufgegange­n. Und sie wird fortgesetz­t werden. Immerhin stehen im Frühjahr noch drei weitere Landtagswa­hlen an.

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