Der neue Rathausmann muss die Partei einen
Der nächste Wiener Bürgermeister heißt Michael Ludwig. Er hat 43 Prozent der Wiener SPÖ gegen sich.
Die biografischen Daten sind rasch erzählt, und sie deuten auf einen klassischen Berufspolitiker hin. Geboren 1961, mit alleinerziehender Mutter und Schwester im Floridsdorfer Gemeindebau aufgewachsen, frühe politische Tätigkeit für die lokale SPÖ, Studium der Geschichte und Politologie, Doktorat, führende Tätigkeit in der roten Erwachsenenbildung, Wahl in den Gemeinderat, Vorsitz der mächtigen Floridsdorfer SPÖ. Seit 2007 Wohnbaustadtrat, seit Samstag Wiener SPÖ-Chef und ab demnächst, wenn Michael Häupl sein Amt übergibt, Bürgermeister von Wien.
Der Landesparteitag der SPÖ Wien, bei dem am Samstag diese Entscheidung gefallen ist, verlief überraschend harmonisch. Die beiden Kontrahenten Michael Ludwig und Andreas Schieder präsentierten sich den Delegierten in zwei Reden, die in ihrer Sachlichkeit fast austauschbar waren. Auch die Parteitagsdelegierten, die vor der Abstimmung das Wort ergriffen, bemühten sich hörbar, keine Gräben aufzureißen. Dass diese Gräben dennoch bestehen, wurde deutlich, als der Vorsitzende der Wahlkommission, Kai Jan Krainer, das Wahlergebnis verkündete: 57 Prozent für den bisherigen Wohnbaustadtrat Michael Ludwig, 43 für ParlamentsKlubchef Andreas Schieder.
Das deutliche Wahlergebnis bedeutet eine Niederlage der Parteiführung um Christian Kern, Michael Häupl und ihre Getreuen, darunter die Stadträtinnen Renate Brauner und Sandra Frauenberger. Sie hatten Schieder als ihren Kandidaten ins Rennen geschickt. Durchgesetzt haben sich die einwohnerstarken Flächenbezirke wie Floridsdorf, Donaustadt und Favoriten, verstärkt um einige einflussreiche Parteigranden wie Doris Bures und etliche Weggefährten des einstigen Kanzlers Werner Faymann, die im Hintergrund emsig die Fäden für Michael Ludwig zogen.
Der neue Mann an der Spitze reichte in seiner ersten Rede als Parteichef seinen bisherigen Gegnern die Hand zur Zusammenarbeit. Doch gleichzeitig kündigte er einen „intensiven Dialog“und eine „Strategieklausur“an, bei der sich die Partei inhaltlich und personell für die nächste Gemeinderatswahl 2020 aufstellen werde. Es dürfte al- so zu einem Umbau der Wiener Stadtregierung kommen, dem manch Häupl-Vertraute(r) zum Opfer fallen wird. Bei diesem Vorhaben muss Ludwig freilich mit Maß und Ziel vorgehen. Seine Entscheidungen müssen nicht nur von den SPÖ-Gremien, sondern auch vom Gemeinderatsklub abgesegnet werden, wo seine Gegner eine starke Fraktion bilden. Die erste Gratulation an Ludwig von außerhalb der Partei kam übrigens aus St. Pölten von Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.