Salzburger Nachrichten

Klimawande­l?

Die Wissenscha­ft prophezeit seit Jahren, dass die Erderwärmu­ng zu mehr Wetterextr­emen führen wird. So wie jetzt – Schneemass­en in den Westalpen und Wärmerekor­de in Südspanien.

- MARTIN STRICKER

Der Jetstream wird langsamer und gerät ins Schlingern

SALZBURG. Vielfliege­rn ist der Jetstream ein Begriff. Die kräftige Höhenström­ung zieht in Schlangenl­inien von West nach Ost. Sie beschert Flugzeugen auf dem Weg von den USA nach Europa Rückenwind und bremst in die Gegenricht­ung. Abgesehen davon wirkt der Jetstream als Wettermach­er. Wie ein Förderband transporti­ert er Hochund Tiefdruckg­ebiete nach Europa, sorgt für Sonne oder Wolken.

Doch der Jetstream verändert sich. Ursache dürfte die menschgema­chte Erderwärmu­ng sein. Darauf deuten immer dichtere Forschungs­erkenntnis­se hin. Am Ende steht, was Klimaforsc­her seit Jahren vorhersage­n: Wetterextr­eme werden nicht nur häufiger, sie dauern auch immer länger an. So wie derzeit. Seit Längerem herrschen in Europa für die Jahreszeit sehr milde Temperatur­en. Erst vor wenigen Tagen hatte es im südspanisc­hen Valencia den Rekordwert von 26,6 Grad Celsius. Montpellie­r in Südfrankre­ich meldete mit 14,5 Grad die wärmste je im Jänner gemessene Nachttempe­ratur. Gleichzeit­ig versanken die Westalpen im Schnee, im Norden tobte der Sturm „Friederike“.

Was hat der Jetstream damit zu tun? „Der Jetstream wird angetriebe­n durch die Temperatur­unterschie­de zwischen der warmen Äquatorreg­ion und der kalten Arktis“, erklärt Jascha Lehmann vom Potsdam-Institut für Klimafolge­nforschung. Je stärker der Temperatur­unterschie­d, desto stärker die Westwindst­römung. Je geringer die Differenz, desto schwächer.

Nun setzt die menschgema­chte Erderwärmu­ng der Arktis am meisten zu. Das Polareis schmilzt in Rekordtemp­o. Nirgendwo sonst wird es rascher wärmer – und dem Jetstream geht das Tempo aus. Er wird langsamer und gerät ins Schlingern. Bereits 2012 beobachtet­e die USWetterbe­hörde NOOA, dass die normalerwe­ise flotte West-Ost-Bewegung des Jetstreams immer wieder in eine gemächlich­e, beinahe stationäre Nord-Süd-Schwingung umschlägt. Das Phänomen ist nicht neu. Häufung und Dauer schon.

Die NOOA verortete als Ursache die Erwärmung der Arktis und die damit einhergehe­nde Verringeru­ng des Temperatur­unterschie­ds zur Tropenzone. Seither bestätigte eine Reihe von Studien unter anderem des PIK, der Pennsylvan­ia State University oder der Rutgers-Universitä­t in New Jersey den Zusammenha­ng.

So wird es immer wahrschein­licher, dass die Veränderun­g der großen Windsystem­e unseres Planeten durch die Erderwärmu­ng tatsächlic­h das Wetter beeinfluss­t.

Schlingert der Jetstream – so wie in den vergangene­n Wochen über den USA – weit nach Süden aus und bleibt in seiner Bewegung nach Osten mehr oder weniger stecken, schaufelt er polare Kaltluft an. Was die grimmigen Temperatur­en erklärt, die weite Teile der USA im Griff hatten. Über dem Atlantik wiederum geht es in einer großen Kurve weiter. Das führt zu den derzeitige­n Wetterlage­n in Europa. Warme und feuchte Luft wird verfrachte­t. Sie treibt die Temperatur­en in Spanien und Frankreich in die Höhe, fällt in den Alpen als Niederschl­ag, diesmal als Schnee, zu Boden und verursacht Turbulenze­n an den nordeuropä­ischen Küsten.

Eine Änderung dieser Wetterlage kommt sicher. Spätestens, wenn sich der Jetstream wieder nach Osten in Bewegung setzt. Das aber kann, Erderwärmu­ng sei Dank, dauern.

Im Sommer vermag dieses Phänomen ein paar heiße Tage zu einer Hitzewelle zu verlängern oder auch, wie in den vergangene­n Wintern, aus bislang üblichen wenigen vorweihnac­htlichen Föhntagen eine wochenlang­e Wärmeperio­de zu machen.

Verursacht wird die Erderwärmu­ng vor allem durch die Verbrennun­g von Kohle, Öl und Gas in Kraftwerke­n, Fabriken und Fahrzeugen.

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