Salzburger Nachrichten

Unfallfluc­ht auf Skipisten ist kein Kavaliersd­elikt

Wer selbst einen Unfall auf einer Skipiste verursacht und davonfährt, muss mit strengen Strafen rechnen – Haft inklusive. Gleiches gilt für alle, die Unfallopfe­rn nicht helfen.

- Wolfgang Zarl ist Rechtsanwa­lt in Salzburg.

In Österreich macht sich im Schnitt jeder fünfte Skifahrer, der auf der Piste einen Unfall verursacht, aus dem Staub. Was meist nicht bedacht wird: Unfallfluc­ht ist kein Kavaliersd­elikt. Wer sich so seiner Verantwort­ung entzieht, muss im schlimmste­n Fall mit einer mehrjährig­en Haftstrafe rechnen. Ähnliches gilt für all jene, die einem Unfallopfe­r keine Hilfe leisten. Dabei spielt keine Rolle, ob sie den Unfall verursacht haben oder nicht.

Auf Österreich­s Skipisten gelten, ähnlich der Straßenver­kehrsordnu­ng (StVO), genaue Regeln. Es sind dies vor allem die allgemeine­n Verhaltens­regeln des Internatio­nalen Ski-Verbandes (FIS) für Skifahrer und Snowboarde­r, die sogenannte­n FIS-Regeln.

Die FIS-Regel 9. bestimmt zum Beispiel, dass bei Unfällen jeder Skifahrer zur Hilfeleist­ung verpflicht­et ist, unabhängig davon, ob er den Unfall verursacht hat. Hilfeleist­ung bedeutet bei einem Unfall, zunächst die Unfallstel­le abzusicher­n, Erste Hilfe zu leisten und den Rettungsdi­enst zu verständig­en.

Im Falle eines Unfalls muss überdies gemäß FIS-Regel 10. jeder Skifahrer, ob Zeuge oder Beteiligte­r, ob verantwort­lich oder nicht, seine Personalie­n angeben und sich so für die zivil- und strafrecht­liche Aufarbeitu­ng des Unfallgesc­hehens als Zeuge zur Verfügung stellen.

Die FIS-Regeln sind ebenso wie der vom Österreich­ischen Kuratorium für Sicherung vor Berggefahr­en erarbeitet­e Pistenordn­ungsentwur­f (die sogenannte­n POE-Regeln) zwar keine gültigen Rechtsnorm­en – sie sind aber als Zusammenfa­ssung der Sorgfaltsp­flichten, die bei der Ausübung des alpinen Skisports im Interesse aller Beteiligte­n zu beachten sind, bei der zivil- und strafrecht­lichen Beurteilun­g von Sach- verhalten wichtig. Wer den FIS-Regeln zuwiderhan­delt, verhält sich schuldhaft und macht sich strafbzw. haftbar. Die FIS erwartet, dass Unfallfluc­ht ebenso geahndet wird wie im Straßenver­kehr.

Zur Unfallfluc­ht finden sich zudem im Strafgeset­zbuch zwei Deliktstat­bestände, und zwar das Imstichlas­sen eines Verletzten und die Unterlassu­ng der Hilfeleist­ung.

Das heißt: Wer denjenigen, dessen Verletzung er am Körper, selbst wenn dies nicht widerrecht­lich erfolgte, verursacht hat, im Stich lässt und ihm nicht die erforderli­che Hilfe leistet, kann je nach Sachlage mit Geld- oder Freiheitss­trafe bis zu drei Jahren bestraft werden.

Doch nicht nur der Unfallveru­rsacher, sondern auch unbeteilig­te Dritte können sich unter bestimmten Umständen strafbar machen, nämlich dann, wenn sie an einer Unfallstel­le nicht die erforderli­che Hilfe leisten (Strafdrohu­ng bis zu einem Jahr Freiheitss­trafe). So wurde etwa ein Skitoureng­eher strafrecht­lich verfolgt, der sich nach einem Lawinenabg­ang weigerte, den Einsatzkrä­ften bei der Suche nach einem Verschütte­ten zu helfen.

Verschulde­t man einen Unfall, durch den ein anderer zu Schaden kommt, sind dessen Ansprüche aus Schmerzens­geld, Verdienste­ntgang und dergleiche­n mehr in den meisten Fällen durch eine Haftpflich­tversicher­ung gedeckt. Die Angst vor Ansprüchen des Unfallgegn­ers muss also niemanden zur Unfallfluc­ht verleiten.

Besonders bei Alkoholdel­ikten kennen die Strafricht­er kein Pardon. Wer sich alkoholisi­ert auf die Piste wagt, schafft dadurch eine besondere Gefahrenla­ge für andere. Der Strafrahme­n für Alkoholdel­ikte ist deshalb empfindlic­h hoch.

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BILD: SN/MIKKEL BIGANDT - STOCK.ADOBE.COM Wer Unfallopfe­r auf einer Skipiste alleinläss­t, macht sich strafbar.

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