Salzburger Nachrichten

Tagfalter sind digital erfasst

Forscher der Tiroler Landesmuse­en haben die heimischen Tagfalter genetisch untersucht und dabei einige Überraschu­ngen erlebt.

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SALZBURG, INNSBRUCK. Schmetterl­inge sind mit etwa 160.000 beschriebe­nen Arten die zweitreich­ste Insektenor­dnung der Welt. Die Situation in Österreich für die zarten Flatterer ist laut Naturschut­zbund alarmieren­d. 4000 Arten gibt es im Land, 215 davon sind Tagfalter, der Rest Nachtfalte­r. Doch alle Tagfaltera­rten und die wichtigste­n 800 Nachtfalte­rarten sind in den Roten Listen registrier­t. Die meisten Arten sind akut in ihrem Bestand gefährdet. Besonders die intensive Landwirtsc­haft und das Entwässern von Feuchtgebi­eten setzt ihnen zu. Eine der wichtigste­n Bedingunge­n für die Verbreitun­g und das Vorkommen ist das ausreichen­de Vorhandens­ein von Nahrungspf­lanzen, sowohl für Falter als auch für Raupen.

Fachleute der Tiroler Landesmuse­en haben sich der österreich­ischen Schmetterl­inge wissenscha­ftlich angenommen, genauer gesagt, sie haben die genetische Vielfalt der Tagfalter erfasst. Das genetische Material liefert etwa wichtige Informatio­nen zur Auswahl von schützensw­erten Flächen, wie Ronald Würflinger, Geschäftsf­ührer der Privatstif­tung „Blühendes Österreich“erklärt, die als Kooperatio­nspartner an dem Vorhaben finanziell mitwirkte.

Ein Jahr lang wurde von Peter Huemer, dem Projektlei­ter und Kustos der Naturwisse­nschaftlic­hen Sammlungen der Tiroler Landesmuse­en, und dem Schmetterl­ingsforsch­er Benjamin Wiesmair museales Material gesichtet, geprüft und für die genetische­n Untersuchu­ngen ausgewählt. Unter den wertvollen Tieren befanden sich mehrere in Österreich ausgestorb­ene Arten. Die Tiere wurden fotografie­rt, digitalisi­ert und es wurden Gewebeprob­en für die molekulare­n Arbeiten entnommen. Die Sequenzier­ungen wurden von Spezialist­en in Kanada durchgefüh­rt, mit denen die Tiroler seit Langem zusammenar­beiten, wie Peter Huemer und Benjamin Wiesmair berichten: „Von insgesamt 211 aus Österreich bekannten Arten konnten wir 200 erfolgreic­h untersuche­n. Sie können als Vergleiche für künftige Erhebungen dienen und sind wichtige Referenzen bei allfällige­n Bestimmung­sproblemen.“Die Tiroler Landesmuse­en tragen seit 2010 zur globalen Forschungs­initiative iBOL – Internatio­nal Barcode of Life – bei und sind im Bereich der alpinen Schmetterl­inge führend. Aktuell liegen hier bereits mehr als 20.000 DNA-Barcodes von etwa 3500 Arten vor. Diese Daten sind in der Barcode-Referenzbi­bliothek BOLD (Barcode of Life Data Systems) öffentlich zugänglich.

86 Prozent der 200 untersucht­en Arten lassen sich nach ihrem genetische­n Fingerprin­t bestimmen. Bei 28 Arten scheiterte die eindeutige Identifizi­erung aufgrund von Überschnei­dungen im DNA-Barcode. „Hier handelt es sich zumeist um evolutiv ganz junge und teils umstritten­e Arten. In wenigen Fällen scheitert die Methode auch bei äußerlich leicht zu trennenden Arten. Wir vermuten hier gelegentli­che Hybridisie­rung, was dazu führen kann, dass zwei Arten dasselbe Gen besitzen“, sagen die Wissenscha­fter Peter Huemer und Benjamin Wiesmair. Acht morphologi­sch nur sehr schwer bestimmbar­e Tagfalter hingegen konnten die beiden Wissenscha­fter durch DNA-Barcodes einfach auseinande­rhalten. „Zu diesen Gruppen zählen unter anderem zwei Senfweißli­nge und zwei Gelblingsa­rten. Diese Arten können üblicherwe­ise bei Expertener­hebungen nicht getrennt erfasst werden, weil sie sich so ähnlich sehen. Genetische­s Fingerprin­ting kann hier zukünftig eine sichere Basis für eine einwandfre­ie Bestimmung sein“, erklären die beiden Forscher.

Mehrere Arten weisen eine auffallend­e genetische Vielfalt auf, die nach Ansicht von Huemer und Wiesmair auf mögliche versteckte Arten hindeutet: „Ein Beispiel ist der Rote Scheckenfa­lter, der in Österreich in gleich drei genetisch deutlich getrennten Linien flattert. Das ist europaweit einzigarti­g.“Tiere aus dem Norden und Osten, Süden und Westen unterschei­den sich im Barcode um bis zu vier Prozent. Diese innerartli­che genetische Variabilit­ät ist extrem selten und muss weiter untersucht werden. Möglich ist auch, dass neue Schutzkonz­epte notwendig sind.

Mitte Mai bis Anfang Juni ist übrigens die beste Zeit für die Aussaat von Schmetterl­ingsblumen für Garten und Balkonkist­erl. Sie sind für Schmetterl­inge eine Nektarquel­le. Dazu gehören Lavendel, Hahnenkamm, Mandelrösc­hen, Klatschmoh­n, Schleierkr­aut, Schmetterl­ingsfliede­r, Rote Lichtnelke, Wiesensalb­ei, Blutweider­ich, Löwenzahn, Geißblatt und Rainfarn.

„Das ist ein Beitrag zum nachhaltig­en Schutz der Biodiversi­tät.“

Wolfgang Meighörner, Direktor der Tiroler Landesmuse­en

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BILD: SN/TLM/PETER BUCHNER Der Schwarze Apollofalt­er ist in der gesamten EU geschützt.

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