„Mein Job ist es, nicht lockerzulassen“
Amelie Groß ist Chefin eines Inkassobüros und Vorsitzende der Jungen Wirtschaft. Mit den SN sprach sie über Frauen an der Spitze.
SN: Seit einem Jahr sind Sie Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft. Wie fühlt es sich an, für 120.000 Unternehmer verantwortlich zu sein? Groß: Gut. Das Spannende ist, dass die 120.000 keine homogene Gruppe sind. Es macht Spaß, so unterschiedliche Leute und Branchen kennenzulernen. Jede Firma hat eigene Bedürfnisse. Nehmen wir etwa unsere Forderung nach der Reduzierung der Körperschaftssteuer: Nur zwölf Prozent der Unternehmer gründen eine GmbH und müssen die Steuer zahlen. Es ist eine Herausforderung, so viele unterschiedliche Interessen zu vertreten.
SN: Wie meistern Sie das? Indem ich ganz viel mit den Leuten rede. Indem ich Coworking Spaces besuche und in die Bundesländer fahre und hinhöre.
SN: Es gab Widerstand, als Sie den Vorsitz übernahmen. Viele haben sich einen Mann gewünscht . . . Das geht vielen Frauen so. Vordergründig heißt es, wir brauchen mehr Frauen. Wenn aber Frauen gefördert werden sollen, überlegen sich manche, dass eigentlich ein Mann an die Spitze gehört. Ich habe Aussagen gehört wie: Es war immer schon so, dass sich Männer durchgesetzt haben. Oder Fragen danach, ob das eh in meine Lebensplanung passt. Das ist ärgerlich: Ich denke nicht, dass jemals ein Mann gefragt wurde, ob seine Lebensplanung in den kommenden zwei Jahren Richtung Familie läuft. Es gibt aber viele, die mich unterstützen.
SN: Was war Ihr größter Erfolg bisher? Uns freut freilich, dass einige unserer Forderungen in das Regierungsprogramm aufgenommen wurden. Die Senkung der Abgabenquote etwa. Gleichzeitig muss man schauen, dass sich die Gesellschaft in die richtige Richtung entwickelt. Ich hoffe, dass wir positiv in die Zukunft schreiten. Und wir nicht eine Retro-Regierung haben, Stichwort Aufhebung des Nichtraucherschutzes.
SN: Wie viel Einfluss hat die Junge Wirtschaft? Unser Job ist es, nicht lockerzulassen. Bereits bei der Gründung in den 50er-Jahren haben wir Bürokratieabbau gefordert. Es ist manchmal ermüdend und es scheint, als würden wir uns im Kreis drehen. Aber es ist extrem wichtig, den Finger immer wieder in die Wunde zu legen.
SN: Sie sind dafür oft in Wien. Wie bekommen Sie das unter einen Hut? Zum einen habe ich ganz tolle Mitarbeiterinnen. Zum anderen arbeite ich sehr gerne im Zug. Es gibt Wochen, da habe ich keine Freizeit. Es ist aber keine Belastung: Durch das Ehrenamt lerne ich jeden Tag etwas Neues, das ist wunderschön.
SN: 2017 waren 44,5 Prozent der Gründer weiblich. Wie wirkt sich das aus, führen Frauen anders? Der Unterschied besteht weniger im Geschlecht als im Alter. Früher hat man sich den Chef mit Zigarre im Mund vorgestellt. Er hat seine Mitarbeiter autoritär geführt. Das hat sich geändert: Die meisten Leute sind in ihrer Firma per Du, der Umgang ist freundschaftlich. Wir verbringen den größten Teil des Lebens in der Arbeit, ein schönes Umfeld ist wichtig. Es gibt aber einen Unterschied: Frauen gründen meist in denselben Branchen.
SN: Das sind Direktvertrieb, Dienstleistung, Marketing. Wie kann man das ausweiten? Das Gesellschaftsbild ändern. Solange Frauen mit Sich-Kümmern assoziiert werden, wird sich nichts verändern. Es ist volkswirtschaftlich aber ein Wahnsinn, die Hälfte der Bevölkerung bei gewissen Berufen außen vor zu lassen. Wir haben einen Mangel an Technikern, künftig wird es noch schlimmer. Die meisten gründen zudem zwischen 30 und 40 Jahren. Ich will Kinderbetreuung nicht mit Frauen assoziieren, aber mehr Plätze für unter Dreijährige würden helfen.
SN: Welche Tipps haben Sie für Unternehmerinnen? Mutig sein. Selbstbewusst sein. Nicht immer alles perfekt machen wollen. Jede Frau, die in einer Führungsposition sichtbar ist, trägt dazu bei, dass sich das Bild ändert.
Zur Person: Amelie Groß Die 31-jährige Salzburgerin führt seit 2012 das Inkassobüro Merkur. Seit einem Jahr ist sie Bundesvorsitzende der Jungen Wirtschaft.