Die Caritas sperrt viele ihrer Flüchtlingsunterkünfte zu
Die Zahl der Asylanträge ist derart gesunken, dass viele Notquartiere unterbelegt sind. Leider ist davon auch ein ganz besonderes Projekt betroffen.
WIEN. Horn, Mistelbach, Vösendorf, Lanzendorf, Breitenfurt sowie in den Wiener Bezirken Rudolfsheim, Döbling, Penzing, Floridsdorf, Leopoldstadt und Favoriten – an diesen Standorten betrieb die Caritas der Erzdiözese Wien Unterkünfte für Flüchtlinge. Jetzt nicht mehr. Sie wurden aufgelassen. Ende 2016 waren in Österreich 9500 Asylbewerber in Caritas-Einrichtungen untergebracht. Ende 2017 waren es noch 6600. Die Zahl der Asylanträge ist im Vorjahr mit 24.000 auf einen Wert gesunken, der aus den Nullerjahren vertraut ist. Vereinfacht gesagt: Die Caritas hat zu wenige Flüchtlinge, um das engmaschige Netz an Unterkünften aufrechtzuerhalten.
Ein Großteil ist ausgezogen, wird von Freiwilligen unterstützt, versucht, einen Job zu finden, macht eine Ausbildung und lernt Deutsch. Zu wenige kommen nach. „Im Sinne einer Normalisierung ist es gut, immerhin haben Österreich und die Österreicher viel geleistet“, sagt der Generalsekretär der Wiener Caritas, Klaus Schwertner. Schließlich habe man gemeinsam mit Deutschland und Schweden die Gesamtverantwortung für Europa in puncto Aufnahme von Flüchtlingen getragen. Nun habe sich jedoch alles auf Italien, Griechenland und Spanien verlagert. „Das geht so nicht. Wir brauchen eine EU-weite Lösung.“
Von der Schließung der CaritasUnterkünfte ist leider auch ein international viel beachtetes Integrationsprojekt in Wien betroffen, das „Hawi“in der ehemaligen Siemens-Zentrale in Wien-Favoriten. Dort lebten zuletzt 15 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF), 30 Flüchtlinge über 18 Jahre und 55 Studierende und Lehrlinge unter einem Dach, Zimmer an Zimmer, teilten Tisch, Bad und Küche. Erst 2016 feierlich eröffnet, schließt das „Hawi“bis zum Sommer in Etappen. 15 UMF sind bereits in ein anderes Quartier übersiedelt.
Die Studierenden versuchen nun verzweifelt, die einmalige RiesenWG fortzuführen. „Wir Bewohner sind von dieser überraschenden Entscheidung sehr enttäuscht und davon überzeugt, dass das ,Hawi‘ als Konzept bestehen bleiben muss. Wir sind zusammengewachsen, un- ternehmen gemeinsam Ausflüge, helfen uns gegenseitig in allen Situationen und wollen auch weiterhin zusammenleben“, sagt der Student Philip Macek.
Der Caritas-Generalsekretär räumt Fehler ein: „Vermutlich haben wir die Bewohner zu spät in den Entscheidungsprozess eingebunden, weswegen sie natürlich enttäuscht sind und auch wütend.“Die Wohnflächen zu groß dimensioniert, die Kosten zu hoch und die Zimmer nicht ausgelastet – die Finanzierung des Vorzeigeprojekts war für die Caritas ihren Spendern gegenüber nicht mehr vertretbar. Für die kommenden drei Monate benötigte man 300.000 Euro, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. Dass sich jetzt noch jemand findet, hält Schwertner für unrealistisch.
Man habe seinerzeit rasch entscheiden müssen, um mitten in der Flüchtlingskrise Wohnraum zu schaffen. Schwertner: „Wir waren damals froh, dass wir ein Objekt haben.“Um das „Hawi“langfristig wirtschaftlich erfolgreich zu betreiben, hätte es wohl einer gründlicheren Planung bedurft. Doch dafür war keine Zeit. Nun soll am Standort des Magdas-Hotels in der Leopoldstadt eine Wohngemeinschaft mit bis zu 18 Plätzen entstehen. Dort soll der „Geist des ,Hawi‘ weiterleben“, bekräftigt Schwertner.
Was die Flüchtlingssituation generell betrifft, so engagiert sich die Caritas verstärkt in Hilfe vor Ort. Zum Beispiel in den Ländern rund um Syrien. „Man kann den Menschen mit vergleichsweise wenigen Mitteln eine Perspektive geben. Die sagen auch, sie wollen in der Region bleiben – wenn sie sicher ist.“