Tauben, Falken, Adler und Truthähne – Geldpolitik für Vogelkundler
In der Geldpolitik schadet es nicht, die Wirtschaft aus der Vogelperspektive zu betrachten. In aller Ruhe, ohne ständig zu zwitschern.
An diesem Wochenende findet an der Spitze der US-Notenbank die Wachablöse statt. Die Präsidentschaft von Janet Yellen geht nach nur einer Amtszeit zu Ende. Obwohl Yellen fachlich unumstritten war, versagte ihr US-Präsident Donald Trump weitere vier Jahre an der Spitze der Federal Reserve. Stattdessen bestellte er Jerome Powell zum Nachfolger von Yellen.
Trump agierte dabei gewissermaßen nach dem Motto „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Yellen war in ihrer persönlichen Integrität und Expertise unangreifbar, und damit für Trump so unerreichbar wie die sprichwörtliche Taube auf dem Dach.
Trump wusste, dass er nur eine Chance hatte, sie vom Dach, also von der Spitze der Fed zu holen – und das war der Moment, als es um die Wiederbestellung ging. Jeder Präsident nimmt lieber einen Kandidaten, der aus seiner Partei kommt, und Powell ist eben wie Trump Republikaner. Den Mann im Weißen Haus trieb bei seiner Wahl wohl auch die Hoffnung, mit Powell den Spatz im wahrsten Sinn des Wortes in der Hand zu haben. Überdies hatte er die Sorge, dass sich Yellen womöglich zu einem Falken entwickeln und ihm den schönen Konjunkturaufschwung zunichtemachen könnte.
Dazu muss man erklären, dass es sich eingebürgert hat, die Notenbanker in zwei Kategorien einzuteilen – in die Tauben und in die Falken. Die Tauben stehen für eine Politik des lockeren Geldes und der niedrigen Zinsen, sie lassen der Wirtschaft gern freien Lauf. Dagegen sind die Falken unter den Zentralbankern ständig auf der Hut, dass sich der Konjunkturmotor nicht überhitzt und Löhne und Preise im Aufschwung nicht außer Kontrolle geraten. Um das zu verhindern, treten sie lieber frühzeitig auf die Bremse und erhöhen die Zinsen.
Damit drosselt man nicht nur das Tempo der Wirtschaft, man macht auch die eigene Währung stärker, weil Anlagen auf dem Geldmarkt attraktiver werden. Höhere Zinsen würden also den Dollar stärken, das würde die Exporte der US-Wirtschaft verteuern. Erst kürzlich sagte Trump, er hätte gern einen starken Dollar.
Damit sind wir beim Adler, der auf der Rückseite der 1-Dollar-Note prangt. Dass es der König der Lüfte ist, war keineswegs unumstritten. Benjamin Franklin, einer der Gründerväter der Vereinigten Staaten, sprach sich damals dafür aus, den Truthahn abzubilden. Der Adler sei „ein Vogel mit schlechtem Charakter“, dagegen sei der Truthahn laut Franklin „ein respektabler Vogel und ein Ureinwohner Amerikas“.
Hätte sich Franklin durchgesetzt, hätte das weitreichende Folgen bis zum heutigen Tag gehabt. Langer Tradition folgend, begnadigt der Präsident jedes Jahr zum Erntedankfest zwei Truthähne, die ansonsten millionenfach verspeist werden. Tauben hin, Falken her, damit läge es am US-Präsidenten, über Wohl und Wehe des Dollars zu entscheiden. Jede Begnadigung käme einer geldpolitischen Entscheidung gleich. Da denken sich wohl nicht nur die Tauben und Falken in den Notenbanken: Wie gut, dass man sich damals für den Adler entschied.