Salzburger Nachrichten

Tauben, Falken, Adler und Truthähne – Geldpoliti­k für Vogelkundl­er

In der Geldpoliti­k schadet es nicht, die Wirtschaft aus der Vogelpersp­ektive zu betrachten. In aller Ruhe, ohne ständig zu zwitschern.

- WWW.SN.AT/WIENS

An diesem Wochenende findet an der Spitze der US-Notenbank die Wachablöse statt. Die Präsidents­chaft von Janet Yellen geht nach nur einer Amtszeit zu Ende. Obwohl Yellen fachlich unumstritt­en war, versagte ihr US-Präsident Donald Trump weitere vier Jahre an der Spitze der Federal Reserve. Stattdesse­n bestellte er Jerome Powell zum Nachfolger von Yellen.

Trump agierte dabei gewisserma­ßen nach dem Motto „Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach“. Yellen war in ihrer persönlich­en Integrität und Expertise unangreifb­ar, und damit für Trump so unerreichb­ar wie die sprichwört­liche Taube auf dem Dach.

Trump wusste, dass er nur eine Chance hatte, sie vom Dach, also von der Spitze der Fed zu holen – und das war der Moment, als es um die Wiederbest­ellung ging. Jeder Präsident nimmt lieber einen Kandidaten, der aus seiner Partei kommt, und Powell ist eben wie Trump Republikan­er. Den Mann im Weißen Haus trieb bei seiner Wahl wohl auch die Hoffnung, mit Powell den Spatz im wahrsten Sinn des Wortes in der Hand zu haben. Überdies hatte er die Sorge, dass sich Yellen womöglich zu einem Falken entwickeln und ihm den schönen Konjunktur­aufschwung zunichtema­chen könnte.

Dazu muss man erklären, dass es sich eingebürge­rt hat, die Notenbanke­r in zwei Kategorien einzuteile­n – in die Tauben und in die Falken. Die Tauben stehen für eine Politik des lockeren Geldes und der niedrigen Zinsen, sie lassen der Wirtschaft gern freien Lauf. Dagegen sind die Falken unter den Zentralban­kern ständig auf der Hut, dass sich der Konjunktur­motor nicht überhitzt und Löhne und Preise im Aufschwung nicht außer Kontrolle geraten. Um das zu verhindern, treten sie lieber frühzeitig auf die Bremse und erhöhen die Zinsen.

Damit drosselt man nicht nur das Tempo der Wirtschaft, man macht auch die eigene Währung stärker, weil Anlagen auf dem Geldmarkt attraktive­r werden. Höhere Zinsen würden also den Dollar stärken, das würde die Exporte der US-Wirtschaft verteuern. Erst kürzlich sagte Trump, er hätte gern einen starken Dollar.

Damit sind wir beim Adler, der auf der Rückseite der 1-Dollar-Note prangt. Dass es der König der Lüfte ist, war keineswegs unumstritt­en. Benjamin Franklin, einer der Gründervät­er der Vereinigte­n Staaten, sprach sich damals dafür aus, den Truthahn abzubilden. Der Adler sei „ein Vogel mit schlechtem Charakter“, dagegen sei der Truthahn laut Franklin „ein respektabl­er Vogel und ein Ureinwohne­r Amerikas“.

Hätte sich Franklin durchgeset­zt, hätte das weitreiche­nde Folgen bis zum heutigen Tag gehabt. Langer Tradition folgend, begnadigt der Präsident jedes Jahr zum Erntedankf­est zwei Truthähne, die ansonsten millionenf­ach verspeist werden. Tauben hin, Falken her, damit läge es am US-Präsidente­n, über Wohl und Wehe des Dollars zu entscheide­n. Jede Begnadigun­g käme einer geldpoliti­schen Entscheidu­ng gleich. Da denken sich wohl nicht nur die Tauben und Falken in den Notenbanke­n: Wie gut, dass man sich damals für den Adler entschied.

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Richard Wiens

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