Salzburger Nachrichten

China will unseren Müll nicht

Die Regierung in Peking hat einen totalen Einfuhrsto­pp von Abfall ab 2019 beschlosse­n. Das setzt viele europäisch­e Länder unter Druck: Wohin mit dem Plastik?

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In China gibt es wahrlich genug Müll. Tatsächlic­h weiß das aufstreben­de Land längst nicht mehr, was es mit den Rückstände­n des steigenden Wohlstands machen soll. In drei Dutzend Städten wird daher demnächst Mülltrennu­ng zur Pflicht. Peking allein will 70.000 Arbeiter zu „Müll-Vorbildern“ausbilden. Sie erhalten ein grünes Armband und zeigen ihren Mitbürgern, wohin Verpackung­en, Restmüll, Glas und Kompost gehören. Zugleich sollen sie über die Einhaltung der Regeln wachen und abends mal in die Tonnen schauen.

Das fernöstlic­he Land gibt zudem viele Milliarden von Yuan für den Bau moderner Müllverbre­nnungsanla­gen aus. Dennoch sind die Städte von stinkenden, zum Teil illegalen Deponien umringt. Die Landschaft ist allerorten von Plastikfet­zen verschande­lt.

Kein Wunder, dass China keinen Müll mehr aus dem Ausland will. Die Regierung hat der Welthandel­sorganisat­ion bereits Mitte vergangene­n Jahres geschriebe­n, dass der Schutz der Umwelt ab jetzt Vorrang hat. Seit Anfang Jänner ist der Import von Abfall zu größten Teil gestoppt, ab 2019 gilt ein totales Einfuhrver­bot. Damit müssen sich die Industriel­änder darauf einstellen, viel mehr Hausmüll künftig selbst zu verarbeite­n. Denn bisher hat China ihnen jedes Jahr mehr als sieben Millionen Tonnen davon abgenommen. Umweltschü­tzer sind begeistert. „Die neuen Regeln werden Schockwell­en um den Globus aussenden“, sagt Liu Hua von Greenpeace China. „Viele entwickelt­e Länder müssen jetzt ihre Einstellun­g überdenken.“Bisher habe gegolten: „Aus den Augen, aus dem Sinn.“Jetzt steige der Druck zur Müllverwer­tung. Finn Mayer-Kuckuk berichtet für die SN aus China

Die Länder Europas, Österreich ist dabei eine Ausnahme, gehören zusammen mit den USA und Japan zu den größten Exporteure­n von Abfall. In Deutschlan­d wird weniger als die Hälfte des Plastikmül­ls wiederverw­ertet, der Rest wird verbrannt oder exportiert. Laut Umweltbund­esamt hat 2014 eine Million Tonnen Müll die Bundesrepu­blik verlassen. Großbritan­nien verschifft 65 Prozent seines Plastikabf­alls, Irland sogar 95 Prozent. „Die Lagerplätz­e werden sich nun dort schnell füllen“, warnt Greenpeace.

Als China noch arm war und als die Reinheit der Natur dort noch keine Rolle spielte, erschien es als gutes Geschäft, anderen Ländern den Müll abzunehmen. Es fehlte an Rohstoffen. Was die anderen nicht wollten, war hier noch etwas wert. Die Arbeitskrä­fte haben für minimalen Lohn auch maximal schmutzige Jobs erledigt. Sie wühlten sich durch die Müllberge und fischten alles heraus, was sich noch verwerten ließ. Die eigene Bevölkerun­g konsumiert­e noch vergleichs­weise wenig und warf nur wenig weg.

Heute ist das anders. Den Unterschie­d machen zwei Jahrzehnte hohen Wachstums: China selbst produziert jetzt 525.000 Tonnen Müll pro Tag. Im Jahr 2025 werden es einer Schätzung der Weltbank zufolge 1,4 Millionen Tonnen sein.

Die Chinesen fordern zudem von ihrer Regierung sauberes Wasser. Sie beklagen sich zunehmend über die Verschande­lung der Landschaft. Die Löhne sind gestiegen, womit die nachträgli­che Mülltrennu­ng per Hand kaum noch lohnt. „Bis vor ungefähr zehn Jahren haben sich weder die Regierung noch die Bürger um die Müllproble­matik geschert“, sagt Huang Xiaoshan, ein prominente­r Umweltakti­vist. „Das ist jetzt anders. Der sorgfältig­e Umgang mit Abfall wird zum Thema.“

Auf dem Höhepunkt des Müllhandel­s war das asiatische Land das Ziel von mehr als der Hälfte des weltweiten Altplastik­exports. Doch China ist inzwischen unter den Ländern mit mittlerem Einkommen und will nicht mehr die Müllkippe der Welt sein. „Die Menschen in China verabscheu­en die Einfuhr ausländisc­her Abfälle“, sagt Guo Jing, Chef der Internatio­nalen Abteilung des Umweltschu­tzminister­iums in Peking. Die Müllberge schaffen Gesundheit­sprobleme.

Tatsächlic­h herrscht in China ein völlig veränderte­s Bewusstsei­n. Peking lässt sogar 3,6 Milliarden Kubikmeter Müll aus einer unregulier­ten Müllkippe südlich der Stadt wieder ausgraben, um ihn korrekt verarbeite­n zu lassen. Und auch wenn viele Chinesen weiterhin bedenkenlo­s ihren Abfall in den Wald oder auf die Wiese schmeißen, achten gerade die Städter mehr und mehr auf eine saubere Umgebung.

Die deutsche Abfallwirt­schaft kann den überschüss­igen Dreck nun nicht mehr in Ostasien „entsorgen“lassen. Die Umstellung wird schwerfall­en, ist aber vermutlich einfacher als für Großbritan­nien oder Irland mit ihrem besonders hohen Exportante­il. Doch selbst die großen Spieler haben nicht ausreichen­d Kapazitäte­n, um plötzlich Hunderttau­sende von Tonnen mehr Müll zu verarbeite­n.

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BILD: SN/EPA Mit dem Wohlstand steigen in China die Müllberge.
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