Salzburger Nachrichten

Von Salomon hat Nazis verabscheu­t

- 4021 Linz

Zum Beitrag „Völkische Literaturv­orliebe der Blauen“von A. Koller (SN, 30. 1.):

Sehr geehrter Herr Dr. Koller,

bezüglich der Nennung von Ernst von Salomon und seines Buchs „Der Fragebogen“als meinen Lieblingsa­utor bzw. als mein Lieblingsb­uch ist Folgendes zu sagen:

Man sollte einen Menschen immer in seiner ganzheitli­chen Entwicklun­g betrachten. Unbestritt­en: Ernst von Salomon war als 20-jähriger Mensch in den Mord an Walter Rathenau verwickelt. Ohne diese Phase seines Lebens entschuldi­gen zu wollen: Die Tat hat er zugegeben, er hat dafür eine Gefängniss­trafe verbüßt und ist danach nie wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Spätestens nach der NS-Zeit hat er sein Leben und auch seine Taten dann sehr kritisch reflektier­t. Dies vor allem in seinem berühmten autobiogra­fischen Werk „Der Fragebogen“.

Ernst von Salomon hat sich nicht von den Nazis vereinnahm­en lassen, ist geistig kritisch und unabhängig geblieben und hat seine Zeit und deren Protagonis­ten sehr kritisch mit spitzer Feder betrachtet. Wiederholt sprach er sich gegen den NS-Rassenwahn aus und machte sich auch über das „Herrenmens­chengehabe“der Nazis lustig (Zitat aus seinem Buch „Die Geächteten“: „Runengerau­ne und Rassegeras­sel“). Zugleich hat er während der gesamten NS-Zeit seine jüdische Lebensgefä­hrtin als seine Frau ausgegeben und vor den Nazis versteckt.

Von Salomon hat die Nazis also nicht nur verabscheu­t, er hat sich sogar über ihre Protagonis­ten lustig gemacht und sie mit zynischem Spott betrachtet. Auch die Zusammenar­beit und persönlich­e Freundscha­ft nach seiner Haftstrafe mit dem Verleger Ernst Rowohlt, dem man auch keine Sympathien zu den Nazis nachsagen kann, sprechen eine andere Sprache über Ernst von Salomon. Auch dies können Sie im „Fragebogen“nachlesen.

Von Salomon hat sich spätestens zu Anfang der 1930erJahr­e gänzlich aus der Politik und der Öffentlich­keit zurückgezo­gen. Erst in den 1960erJahr­en engagierte er sich politisch wieder. So war er nach dem Zweiten Weltkrieg weiter als Drehbuchau­tor tätig und verfasste unter anderem die Drehbücher zu der obrigkeits­kritischen und antimilita­ristischen Filmtrilog­ie „08/15“, deren literarisc­he Vorlage der Schriftste­ller Hans Hellmut Kirst – auch nicht eben ein Freund der Nazis – verfasst hatte.

Sein Buch „Der Fragebogen“– übrigens der erste Bestseller der jungen Bundesrepu­blik Deutschlan­d, in mehrere Sprachen übersetzt – wurde in der DDR gar in die Liste der „antifaschi­stischen Autobiogra­fien“aufgenomme­n. Im Jahr 1961 nahm von Salomon in Tokio an der Weltkonfer­enz gegen die Atombombe teil und engagierte sich bis zu seinem Tode 1971 in der aufkommend­en Friedensbe­wegung. Hier vor allem im kommunisti­sch geprägten „Demokratis­chen Kulturbund Deutschlan­ds“und der „Deutschen Friedensun­ion“. Das passt nicht zusammen mit der oft geschriebe­nen, aber verkürzten Behauptung, Ernst von Salomon sei ein Rechtsterr­orist gewesen.

Der Mensch macht immer Entwicklun­gen durch. Es ist also eine grundsätzl­iche Frage:

Gestehen wir Menschen zu, dass sie dazulernen dürfen und sich entwickeln können, oder beleuchten wir sie in Momentaufn­ahmen in einer Weise, die unseren aktuellen politische­n Zielen passt? Ein Autor wie Ernst von Salomon ist aus meiner Sicht daher nicht dazu geeignet, skandalisi­ert zu werden. Insbesonde­re wenn man dessen Lebensweg und Entwicklun­gen – auch Irrwege – ganzheitli­ch betrachtet. LH-Stv. Dr. Manfred Haimbuchne­r,

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