Schulz hat sich vergaloppiert
Von Brüssel nach Berlin ins Aus – und das in etwas mehr als einem Jahr: Es ist eine rasante Reise, die Martin Schulz hinter sich gebracht hat. Der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, SPD-Spitzenkandidat und Parteichef, kurzfristiger Hoffnungsträger im Wahlkampf gegen die ewige Kanzlerin Angela Merkel, hat auf das vor wenigen Tagen für ihn ausverhandelte Amt des Außenministers verzichtet. Seine Partei wollte es so. Das ist nachvollziehbar. Schulz hat jede Glaubwürdigkeit verloren. Nach der Wahlniederlage im September kündigte er den Gang in die Opposition an. Kurz darauf stellte er nochmals klar: „In eine Regierung von Angela Merkel werde ich nicht eintreten“.
Und dann – führte er die SPD in eine Neuauflage der alten GroKo und wollte Außenminister werden. Der in der Partei beliebte Sigmar Gabriel, derzeitiger Amtsinhaber, sollte für Schulz erneut den Platz räumen. Er hatte bereits zugunsten von Schulz auf die Spitzenkandidatur verzichtet.
Den Neubeginn einer zutiefst verunsicherten und gespaltenen Sozialdemokratie wollte Schulz anderen überlassen.
Dass dieser Plan wenige Chancen auf Erfolg hatte, überrascht nicht. Dass die Personaldebatte – auch die designierte neue Parteichefin Andrea Nahles stößt nicht gerade auf überbordende Zustimmung – die mühsam gefundene GroKo zum Kippen bringen kann, ist möglich. Rund 464.000 Parteimitglieder müssen dem Koalitionspakt mit CDU/CSU zustimmen, damit er in Kraft treten kann. Ob sie das tun werden, ist ungewisser denn je – obwohl sich Schulz gerade deswegen aus der Schusslinie genommen hat.