Das Wetter von heute ist morgen vorbei
Über unnatürliche Umstände, die das Wetter zum Event aufblasen.
Passen’S auf, es schneit. Das ist natürlich ungeheuer. Und natürlich ist es auch. Aber das ist nicht die Frage. Die Frage ist: „Warum schneit’s denn so?“Darüber wird geschlagzeilt. Nun, das mit dem Schnee passiert, weil im Himmel eine Übersättigung der Luft mit Wasserdampf passiert, und dann kondensiert der Wasserdampf, und wenn die Temperatur entsprechend niedrig ist, dann bilden sich durch Resublimierung an den Kondensationskernen Eiskristalle, und dann haben wir die Flocken und den Schnee und später den Gatsch. Das wär’s auch schon. Und weil Winter ist, kommt das häufig vor.
Aber mit so einer banalen Realität können wir Wissensgesellschafter uns nicht zufriedengeben. Sicher könnte man sich’s leicht machen und sagen, wenn bei uns Jänner oder Februar ist, dann ist Schnee – auch in rauen Mengen – womöglich eine Normalität. Aber Normalität ist fad. Wäre alles normal, müsste sich der TV-Reporter ja fragen, ob es denn normal sein kann, dass er im Februar in einem Live-Einstieg aus dem Skigebiet XY von Me- teorologen wissen möchte, warum es so schneit. Warum es schneit? Es ist Winter!
Aber auch beim Wetter wird die Normalität – also der natürliche Umstand, dass es eine Jahreszeit gibt, in der es schneit – auf dem Altar der Eventisierung geopfert. Würde Schnee im Winter als Normalität betrachtet, gäbe es genauso wenig nachzufragen, als wenn in Süditalien im Sommer die Sonne scheint.
Auch beim Wetter stirbt die Normalität aus. Es übernimmt die normale, medial unterstützte Hysterie das Kommando. Das Wetter muss Tag für Tag zum Event gemacht werden, selbst wenn’s bloß im Winter schneit. Schuld ist wahrscheinlich der Klimawandel. Der ist aber kein Event. Darum reden die Menschen auch lieber übers Wetter als über den Klimawandel. Das eine geht einem Tag für Tag auf die Nerven. Das andere schleicht sich bloß hinterrücks an. Der Klimawandel ist eben kein Event, sondern eine langfristige Angelegenheit. Um sich darüber aufzuregen, müsste die Aufmerksamkeitsspanne länger sein, als z. B. ein olympischer Abfahrtslauf dauert. Aber das ist ein bisserl zu ambitioniert gedacht in Zeiten, da ein Event den nächsten verschlingt.