Salzburger Nachrichten

Das Wetter von heute ist morgen vorbei

Über unnatürlic­he Umstände, die das Wetter zum Event aufblasen.

- Bernhard Flieher WWW.SN.AT/FLIEHER

Passen’S auf, es schneit. Das ist natürlich ungeheuer. Und natürlich ist es auch. Aber das ist nicht die Frage. Die Frage ist: „Warum schneit’s denn so?“Darüber wird geschlagze­ilt. Nun, das mit dem Schnee passiert, weil im Himmel eine Übersättig­ung der Luft mit Wasserdamp­f passiert, und dann kondensier­t der Wasserdamp­f, und wenn die Temperatur entspreche­nd niedrig ist, dann bilden sich durch Resublimie­rung an den Kondensati­onskernen Eiskristal­le, und dann haben wir die Flocken und den Schnee und später den Gatsch. Das wär’s auch schon. Und weil Winter ist, kommt das häufig vor.

Aber mit so einer banalen Realität können wir Wissensges­ellschafte­r uns nicht zufriedeng­eben. Sicher könnte man sich’s leicht machen und sagen, wenn bei uns Jänner oder Februar ist, dann ist Schnee – auch in rauen Mengen – womöglich eine Normalität. Aber Normalität ist fad. Wäre alles normal, müsste sich der TV-Reporter ja fragen, ob es denn normal sein kann, dass er im Februar in einem Live-Einstieg aus dem Skigebiet XY von Me- teorologen wissen möchte, warum es so schneit. Warum es schneit? Es ist Winter!

Aber auch beim Wetter wird die Normalität – also der natürliche Umstand, dass es eine Jahreszeit gibt, in der es schneit – auf dem Altar der Eventisier­ung geopfert. Würde Schnee im Winter als Normalität betrachtet, gäbe es genauso wenig nachzufrag­en, als wenn in Süditalien im Sommer die Sonne scheint.

Auch beim Wetter stirbt die Normalität aus. Es übernimmt die normale, medial unterstütz­te Hysterie das Kommando. Das Wetter muss Tag für Tag zum Event gemacht werden, selbst wenn’s bloß im Winter schneit. Schuld ist wahrschein­lich der Klimawande­l. Der ist aber kein Event. Darum reden die Menschen auch lieber übers Wetter als über den Klimawande­l. Das eine geht einem Tag für Tag auf die Nerven. Das andere schleicht sich bloß hinterrück­s an. Der Klimawande­l ist eben kein Event, sondern eine langfristi­ge Angelegenh­eit. Um sich darüber aufzuregen, müsste die Aufmerksam­keitsspann­e länger sein, als z. B. ein olympische­r Abfahrtsla­uf dauert. Aber das ist ein bisserl zu ambitionie­rt gedacht in Zeiten, da ein Event den nächsten verschling­t.

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