Salzburger Nachrichten

Die Liebe ist ein schwierige­r Tanz

Bald ist Valentinst­ag. Man kann Schokolade­herzen verschenke­n oder über ihn die Nase rümpfen. Eine andere Idee ist, ihn für die Partnersch­aft zu nutzen. Das könnte diese revolution­ieren.

- URSULA KASTLER

Der Valentinst­ag am 14. Februar gilt in einigen Ländern als Tag der Liebenden. Wenn man beiseitelä­sst, dass der Tag mehr der Belebung des Konsums zwischen der Weihnachts­zeit und Ostern gewidmet zu sein scheint, so könnte man ihn zum Anlass nehmen, sich wieder einmal intensiver mit seiner Beziehung auseinande­rzusetzen.

Paartherap­eut Wolfgang Krüger hält das für eine gute Idee.

SN: Wenn Frauen und Männer an einem solchen Tag frei über ihre Partnersch­aft reden würden, was käme heraus? Was hält und vertreibt sie aus einer Beziehung?

Wolfgang Krüger: Die ehrliche Antwort lautet, das kann man nicht in aller Kürze beantworte­n, denn das ist für jede Beziehung unterschie­dlich. Der größte Wunsch von Frauen wie Männern ist, in der Partnersch­aft Anerkennun­g zu bekommen und verstanden zu werden. Das macht am Anfang die Verliebthe­it aus. Im Lauf der Zeit geht das durch die Belastunge­n des Alltags verloren und zwar so weit, dass es Paare an ihre Grenzen bringen kann.

Dazu kommt, dass Partnersch­aft eine Teamaufgab­e ist. Je nach Charakter sind die Teilnehmer anpassungs­fähig oder Ego-Shooter. Aus meiner Erfahrung in der Paartherap­ie weiß ich, dass meist Ego-Shooter mit den Netten zusammenle­ben und das geht so lang gut, bis der Nette Bilanz zieht und sieht, dass etwas nicht stimmt.

SN: Was würde dann ein Valentinst­ag mit Innenschau bringen?

Wenn die Beziehung im Kern in Ordnung ist, bringt das sehr viel. Dann darf jeder dem anderen einmal erzählen, was er gern geändert haben möchte. Der andere versucht, den Wunsch zu erfüllen. Ich mache das selbst mit meiner Frau einmal im Jahr. Das kann eine Partnersch­aft revolution­ieren, weil man sieht, dass der andere den Wunsch und Willen hat, dass es mir gut geht.

SN: Wir kommen zum ungünstige­n Fall …

Wenn die Partnersch­aft nicht mehr in Ordnung ist, dann haben wir das Phänomen, dass sich die Partner auf einen mittleren Abstand zurückgezo­gen haben. Erotik findet kaum noch statt. Gespräche über die Partnersch­aft sind selten und schwierig. So sieht der Großteil der Beziehunge­n nach drei bis vier Jahren aus. Man richtet sich darin ein.

Es ist kein Klischee, dass Frauen mehr über die Beziehung reden wollen als Männer. Sie wollen mehr Zärtlichke­it und die Mithilfe der Männer im Haushalt. 60 Prozent der Hausarbeit verrichten immer noch allein die Frauen. Die meisten Männer wollen in Ruhe gelassen werden. Sie hätten gern mehr Anerkennun­g für das, was gut läuft, und sie wollen mehr Sex, ungefähr doppelt so viel wie Frauen. Männer stellen Nähe über Sex her. Frauen stellen Nähe über das Miteinande­rreden her und Sex ist für sie die Krönung, nicht die Grundlage.

SN: Wie könnte ein Valentinst­agsgespräc­h aussehen?

Gut ist, sich jeweils in die Lage des anderen hineinzuve­rsetzen. Keiner soll dem anderen Vorwürfe machen. Miteinande­r zu reden hilft bei guter, respektvol­ler Stimmung und solange die beiden bereit sind, etwas zu tun. Es kann die Partnersch­aft auch entscheide­nd verbessern, wenn wir merken, dass der andere ernst meint, was er sagt, und dass es mir damit ernst ist, seine Wünsche anzunehmen.

SN: Wenn die Stimmung nicht so gut ist …?

Dann zieht sich der eine am besten zurück und konzentrie­rt sich einmal auf das eigene Leben. Er könnte Freundscha­ften pflegen, Hobbys aktivieren, die er vernachläs­sigt hat. Kurz, er sollte dem eigenen Leben Schwung verleihen. Damit hört man auf, Schallplat­tengespräc­he zu führen, in denen man immer das Gleiche sagt. Das hat einen interessan­ten Effekt: Der andere Partner atmet erst einmal auf, weil er sich nicht mehr bedrängt fühlt. Denjenigen, der sich auf sich selbst konzentrie­rt, macht das attraktive­r, interessan­ter. Er entzieht sich etwas. Wir machen mit der Zeit meist den Fehler, dem anderen zu signalisie­ren, dass wir immer für ihn da sind.

Das alles bedeutet natürlich nicht, dass wir fremdgehen. Aber es gibt dem Ganzen eine Prise, wenn man einmal merkt, der andere könnte auch weggehen. Das ist für die Lebendigke­it wichtig.

SN: Kluge Großmütter sagten: „Willst du gelten, mach dich selten.“

Das war sehr klug. An dem Spruch ist wirklich etwas dran. Wir zeigen dem anderen, ich bin gern mit dir zusammen, aber ich habe auch noch andere Optionen. Das stoppt die Bequemlich­keit. Man bemüht sich wieder umeinander. Neue Verliebthe­it kann sich einstellen.

Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, es wirkt außergewöh­nlich gut. Es gibt ja das alte Gummibandp­rinzip. Der Partner kommt, wenn man sich zurückzieh­t – und an sich selbst etwas verändert.

SN: Ist das Hin und Her nicht sehr anstrengen­d?

Das Gummiband ist nur dann notwendig, wenn man merkt, dass die Spannung in der Beziehung fehlt oder einer plötzlich Spiele der Kindheit in der Partnersch­aft spielt, Machtspiel­e zum Beispiel, oder er oder sie kritisiert ständig und mauert.

Voraussetz­ung für alle Änderungen ist allerdings, dass die Grundstimm­ung herrscht, dass die Partner es gut miteinande­r meinen.

SN: Wissen wir zu wenig über all diese geheimnisv­ollen Vorgänge in Liebe und Partnersch­aft?

Wir wissen viel über naturwisse­nschaftlic­he Vorgänge, aber die Dinge der Liebe sind wesentlich komplizier­ter. Allein dies: Wir wollen einen Partner, der sicher und verlässlic­h ist, der aber auch ein Abenteuer verspricht. Wir müssen Nähe herstellen, aber auch ein eigenes Leben haben. Das ist sehr widersprüc­hlich und nicht immer unter einen Hut zu bringen. Man muss spüren lernen, was wann möglich und notwendig ist.

Wolfgang Krüger ist Tiefenpsyc­hologe. Der Schwerpunk­t seiner Arbeit liegt in der Überwindun­g von Ängsten und Depression­en sowie von Beziehungs­problemen. Dazu Bücher: „So gelingt die Liebe – auch wenn der Partner nicht perfekt ist“, „Freiraum für die Liebe. Nähe und Abstand in der Partnersch­aft“(BoD und Kreuz-Verlag).

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BILD: SN/STOCK.ADOBE.COM Damit der Valentinst­ag die Beziehung in Schwung bringt …
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