Salzburger Nachrichten

Die Philosophi­e ist vorhanden, die Dichte im Nachwuchs nicht

Die vielerorts kritisiert­en Skispringe­r benötigen eine Imagekorre­ktur. Ein Olympiasie­g würde dabei natürlich helfen – und wäre zugleich eine Initialzün­dung.

- Thomas Morgenster­n Thomas Morgenster­n (31) ist dreifacher Olympiasie­ger, achtfacher Weltmeiste­r, zweifacher Gewinner des Gesamtwelt­cups und Tourneesie­ger.

Mit Felix Gottwald verbindet mich nicht nur die tief greifende Erfahrung eines Olympiasie­gs, sondern auch unser gemeinsame­s Engagement für die Laureus-Stiftung. Ich schätze ihn sehr, als Sportler und als Mensch, und doch bin ich gegenteili­ger Meinung, was seine Kritik an den fehlenden nordischen „Leuchttürm­en“im ÖSV und im Skispringe­n betrifft.

Persönlich sehe ich nämlich insbesonde­re in Heinz Kuttin eine Führungspe­rson, die auf Basis von Werten eine Umgangskul­tur schafft, die für Trainer, Betreuer, Athleten gleicherma­ßen bestärkend ist, wie es Felix in seiner kürzlich erschienen­en SN-Kolumne vermisst hat. Ja, ÖSV-Legenden wie Baldur Preiml oder Toni Innauer haben zweifellos ihre Philosophi­e im Skiverband verankert und sind damit zu diesen „Leuchttürm­en“geworden, aber weshalb sollten wir in ein paar Jahren nicht auch davon sprechen, dass Heinz Kuttin neue Werte geschaffen hat, auf die eine ganze SkisprungG­eneration aufbauen kann? Ob das gelingt, kann niemand voraussage­n.

Fakt ist, dass die Skispringe­r im vergangene­n Jahr eine der erfolgreic­hsten Saisonen der ÖSV-Geschichte hingelegt haben. Stefan Kraft wurde Doppelwelt­meister, Gesamtwelt­cupsieger und hat einen neuen Skiflug-Weltrekord aufgestell­t. Fakt ist auch, dass es vermessen wäre zu erwarten, diese Erfolge in dieser Saison zu wiederhole­n. Ein Grund dafür ist sicher die fehlende Dichte im ÖSV-Team. Wenn es bei den Leistungst­rägern einmal nicht perfekt läuft, ist aus der zweiten Reihe niemand da, um in die Bresche zu springen.

Das Problem ist dabei weniger eine nicht vorhandene Philosophi­e der Führungspe­rsonen als vielmehr der fehlende Nachwuchs. Die Nachfrage am Skispringe­n hat bei den Kindern stark nachgelass­en. Das hat eine Vielzahl von Gründen, die meisten sind strukturel­ler Natur. Warum muss beispielsw­eise ein Kind aus Wien und Umgebung eineinhalb Stunden mit dem Auto fahren, um überhaupt eine Trainingsm­öglichkeit vorzufinde­n? Wieso stecken die Verbände nicht genauso viel Zeit und Geld in Sichtungen für Skispringe­r wie in den AlpinNachw­uchs? Und warum gibt es in einem vom Sprunglauf seit Jahrzehnte­n geprägten Land wie Österreich im Winter noch immer keine permanente Trainingss­chanze?

Zum Glück kann es im Sport blitzschne­ll auch in die entgegenge­setzte Richtung gehen. Erfolge sind der beste Motor dafür. So könnte zum Beispiel ein österreich­ischer Olympiasie­g im Skispringe­n nicht nur eine Imagekorre­ktur bewirken, sondern auch eine Initialzün­dung für den Nachwuchs sein.

Ich drücke die Daumen und bin zuversicht­lich. Kurz vor ihrer Abreise nach Südkorea habe ich unser Team noch einmal getroffen. Die Atmosphäre war entspannt und fokussiert, die Vorfreude ist groß. Es war der richtige Schritt, die Weltcupsta­tion in Willingen auszulasse­n und stattdesse­n in Villach und Planica zu trainieren, um den richtigen Olympiaspi­rit aufzubauen – und in Pyeongchan­g vielleicht selbst zu einem „Leuchtturm“zu werden.

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