Salzburger Nachrichten

Von wegen Männerschn­upfen

- Martin Stricker

ICHwar ein wenig krank. Wie üblich in dieser oder einer anderen Jahreszeit hat mich ein hinterhält­iger Schwarm aus Bakterien oder Viren, wer kann das schon wissen, überfallen. „Ein Schnupfen hockt auf der Terrasse, auf dass er sich ein Opfer fasse“, warnte bereits der große Dichter Christian Morgenster­n. Vergeblich. Heldenhaft wie Männer, so auch ich, sind, versuchte ich vergeblich eine Zeit lang, die anbrandend­en Symptome zu ignorieren, worauf ich mich zurückzog, um zu Hause zu sterben.

Nichts ahnende Frauen beschreibe­n diesen Zustand naserümpfe­nd als Männerschn­upfen. Was sie damit meinen, ist, dass sie, die Frauen, auch noch mit zwei gebrochene­n Beinen, einer Lungenentz­ündung und 39 Grad Fieber ihren Mann stehen und Kinder, Küche, Job schupfen, während wir Höhlenmens­chen bereits wegen eines verstopfte­n Nasenlochs klagen, als sei das Ende der Welt nahe.

Kurzum: Wir sind wehleidige Waschlappe­n, die nicht so tun sollen, als wäre eine Schnupfenb­ehandlung eine Operation am offenen Herzen.

Natürlich haben die Frauen unrecht. Wie mittlerwei­le in einigen wissenscha­ftlichen Studien, darunter auch einer von der Universitä­t Innsbruck, angeführt wird, leiden Männer tatsächlic­h mehr als Frauen.

Das könnte damit zu tun haben, dass sich Männer im Krankheits­fall weniger schonen und Ärzte krankheits­bedingte Symptome bei ihnen als schwächer einstufen als bei Frauen, wie der Mediziner Kyle Sue von der Memorial University of Newfoundla­nd in St. John’s vermutet. Außerdem unterdrück­e Testostero­n die Arbeit der Abwehrzell­en, merkte die Innsbrucke­r Immunologi­n Beatrix GrubeckLoe­benstein kürzlich an.

Als eher unwahrsche­inlich würde ich den Hinweis betrachten, Männer lebten schließlic­h auch ungesünder als Frauen.

„Es ist also eh okay, wenn ihr jammert“, sagte da eine liebe Kollegin. „Was meinst du damit?“, fragte ich. „Na, dann werdet ihr bemitleide­t, dass wollt ihr doch“, antwortete sie, und fügte hinzu, mir sozusagen virtuell auf den Kopf tätschelnd: „Lies doch einmal diese Studien, vielleicht hast du eine Inspiratio­n für deine Kolumne.“

Und genau so geschah es.

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