Orchideen blühen im Verborgenen
Selbstständigkeit als Jobalternative. Auch Absolventen sogenannter Orchideenfächer können als ausgewiesene Experten eine interessante Berufslaufbahn einschlagen.
Die Schlagworte ähneln sich: Naturwissenschaften oder MINTFächer, die haben Zukunft. Der Trend, das ganze Leben in Zahlen, Statistiken und Logarithmen zu pressen ist selbst dort unübersehbar, wo es wirklich sinnlos ist. Deshalb gibt es auch die Warnung vor einer „Vernaturwissenschaftlichung“der Welt. Sollen möglichst alle Interessenten also naturwissenschaftliche Fächer studieren, nur um nachher im Job erfolgreich zu sein? „Nein“, sagt Martin Sturmer. Der Salzburger hat soeben ein neues Buch geschrieben: „Profilierung. Mit intelligentem Marketing zum gefragten Experten“. Darin gibt er Tipps, wie auch Absolventen von „seltenen“Studienrichtungen im Beruf erfolgreich sein können. Sturmer weiß, wovon er spricht: Er hat in den 1990er-Jahren Afrikanistik und Kommunikationswissenschaften studiert, Afrikanistik war damals ein klassisches Orchideenfach. Sturmer: „Bei der Studienberatung fragte ich den Professor, wie dieser denn die Jobaussichten beurteile. Die Antwort war wenig ermutigend: ,Wenn mich die Bim überfährt, wird hier ein Posten frei.‘“Heute hat sich Sturmer als Berater für Unternehmen mit afrikanischen Zielmärkten etabliert. Im Zweitberuf unterstützt er als Profilierungscoach junge Akademiker auf ihrem Weg in die Selbstständigkeit. „Durch das Internet haben sich die Vermarktungsmöglichkeiten für Absolventen entscheidend verändert“, sagt der Experte: „Jeder, der über ein profundes Expertenwissen verfügt, hat heute eine viel größere Chance auf wirtschaftlichen Erfolg als noch vor wenigen Jahren.“Ob Ägyptologie, Byzantinistik oder Klassische Archäologie – mit der richtigen Marketingstrategie könne für ein noch so seltenes Spezialgebiet ein internationaler Kundenkreis aufgebaut werden, bekräftigt Sturmer.
In der Bewerbung seines eigenen AfrikaAngebots setzt Sturmer beispielsweise ausschließlich auf das Internet. „Entscheidend ist, dass ich gefunden werde, wenn sich ein Unternehmen für wirtschaftliche Beziehungen mit Afrika interessiert“, erklärt er. Eine gute Sichtbarkeit bei Google sei allerdings nur noch über einzigartige Inhalte zu schaffen. Deshalb investiert er viel Zeit und Energie in die Redaktion seiner Website.
Sturmer will Maturanten dazu motivieren, Fächer nicht nur nach den Berufsaussichten, sondern nach den echten persönlichen Interessen auszuwählen: „Rechtswissenschaften sowie wirtschaftsorientierte Studien führen die Beliebtheitsskala von Studienanfängern an, weil damit auch Erwartungen an sichere Jobs verbunden sind.“Gemessen an den Hauptstudienrichtungen liegen an heimischen Universitäten aber nach wie vor die Geisteswissenschaften in Front.
27 Prozent aller Studierenden haben nach Zahlen von Statistik Austria Fächer wie Geschichte, Philosophie oder Sprachwissenschaften inskribiert.
Für solche Absolventen fehle es aber an gezielten Förderungen für die Selbstständigkeit. „Akademische Gründungszentren zielen stark auf Technologie-Start-ups ab, weil deren Geschäftsmodelle in der Regel skalierbar sind und eine Wachstumsstrategie beinhalten“, meint Sturmer, „dadurch sind sie sowohl für Investoren als auch für die Politik interessanter.“
Buchtipp: Martin Sturmer: „Profilierung. Mit intelligentem Marketing zum gefragten Experten“. Verlag Springer Gabler.