Ice, ice, baby
Expeditionskreuzfahrten. Staunen und lernen – die Nachfrage nach den unberührten Ecken des Globus steigt.
„Sie ist unser Loveboat“, sagt Karl J. Pojer und schmunzelt. Denn wirklich ist die „MS Bremen“der Publikumsliebling bei Hapag Lloyd Cruises. Ein Expeditionsschiff der ersten Stunde, wie der Kreuzfahrt-Chef der Hamburger Luxusreederei stolz betont. Immerhin habe die „Bremen“als erstes Passagierschiff Spitzbergen umrundet. Doch nicht nur das: Ein Beiboot mit Passagieren und Crew entdeckte in der Antarktis eine neue Insel und einen Wasserkanal, die nun beide den Namen des Schiffs tragen: Bremeninsel und Bremenkanal. Vieles hat sich seit ihrer Jungfernfahrt 1990 in der Welt der Expeditionskreuzfahrten verändert. Die „MS Bremen“ist geblieben, stets perfekt in Schuss gehalten und nun auch mit blauem Bug. Diese markante Nase ist nämlich das Markenzeichen der neuen Expeditionslinie von Hapag Lloyd, sie wird auch die jüngsten Zwillinge zieren, die „Hanseatic nature“und die „Hanseatic inspiration“. Die beiden Neubauten, schadstoffarm im Betrieb und mit Polar Class 6 (PC 6) versehen, werden im April und Oktober 2019 in See stechen und die Flotte erweitern. Denn diese Art des Reisens wird immer beliebter. Auch hierzulande, wie sich Pojer, selbst Steirer, freut: „Sechs Prozent unserer Gäste kommen aus Österreich.“Nichts für Schnäppchenjäger allerdings. Bewegt sich doch eine Expeditionskreuzfahrt etwa im Kostenbereich eines Kleinwagens. Dafür sollten dann auch die stark frequentierten Pfade verlassen und neue Ufer angelaufen werden. „Abenteuer-Kreuzfahrten mit Studienreisecharakter“nennt das Isolde Susset, Expeditionsleiterin bei Hapag Lloyd Cruises. Hier ist nicht das Schiff das Ziel, wie bei den riesigen Vergnügungsdampfern in Karibik und Mittelmeer, sondern wirklich die Route mit all ihren Naturschönheiten. Expeditionen in die Antarktis etwa – ein Dauerbrenner – oder auch bis zum Oberlauf des Amazonas, zu den chilenischen Fjorden, den Azoren oder den Kapverden. Und es wird weitergebaut. Bis 2020 sollen allein bei Hapag Lloyd 20 Schiffe der neuen Expeditionsklasse vom Stapel laufen, für insgesamt 6000 Passagiere.
Das ist wenig, verglichen mit den üblichen Ozeanriesen. Die neuen Schiffe sind klein, aber wendig, mit geringerem Tiefgang. Die beiden jüngsten Neubauten etwa bieten Platz für je 230 und bei Antarktisreisen nur 199 Gäste. Dazu kommen besondere Features, die das Erleben der Natur noch unmittelbarer machen: Ausfahrbare gläserne Balkone auf dem Sonnendeck nur 15,4 Meter über dem Wasser geben dem Gast das Gefühl, direkt über dem Ozean zu schweben. Und wer auf dem Decksumlauf ganz vorn auf der Back steht, ist noch näher am Geschehen als der Kapitän selbst. Dazu tägliche Expertenvorträge im HanseAtrium, einer teilbaren multifunktionalen Lounge mit modernster Präsentationstechnik, die Ocean Academy, in der die Gäste ihr Wissen über die Naturwunder, denen sie bei Landgängen und Zodiacfahrten begegnen, mit eigenen Studien und Forschungen vertiefen können. Und eine ordentliche Prise Luxus, wie Gourmetküche, Fitnessbereich, Spa und ein Friseur für jene, die sich mal in der Antarktis die Haare schneiden lassen wollen.
Und auch andere Mütter bauen an schönen Kindern. Die monegassische Reederei Silversea hat ihre jüngste Tochter, die um rund 40 Millionen aufgemotzte „Silver Cloud“, auf ihre erste Expeditionsreise in Richtung Antarktis geschickt. Très chic: Butler-Service und Dinieren im weltweit einzigen Relais & Châteaux Restaurant an Bord, während sich das Schiff seinen Weg vorbei an kalbenden Gletschern und der beeindruckenden Tierwelt bahnt. Im März wird sich die „Silver Cloud“auf den Weg zur Westküste Afrikas machen und in Norwegens Arktis im Spätsommer Eisbären, Wale und Walrosse suchen.
Nordpol, Arktis, Grönland: Das ist auch das Revier des neuen „Ponant Icebreaker“– allerdings erst ab 2021. Mit dem Flottenzuwachs präsentiert die französische Kreuzfahrtreederei eine kleine Sensation: das weltweit erste Luxuskreuzfahrtschiff mit Eisklasse PC 2, das mit Double-Action-Prinzip sich im Packeis sowohl vorwärts als auch rückwärts bewegen kann. Weiterer Pluspunkt für die Umwelt: Flüssigerdgas(LNG) und Hybrid-Elektroantrieb.
Seit Jänner 2018 ist die neue „Ventus Australis“das modernste Expeditionsschiff der Welt. Das schnelle, wendige Schiff mit modernem Interieur des chilenischen Expeditionsunternehmens Australis Reisen steuert die fernsten Orte Patagoniens, etwa das sagenumwobene Kap Hoorn, an.
Und auch die Postschiff-Reederei Hurtigruten steigt nun groß ins Geschäft mit Expeditionskreuzfahrten ein. Die „MS Roald Amundsen“soll als weltweit erstes HybridExpeditionsschiff eines von zwei Schiffen speziell für die Polarregionen werden.