Salzburger Nachrichten

Taten statt Worte! Weil Worte den Frauen keine Gleichstel­lung brachten

„Taten statt Worte!“, riefen englische Frauenrech­tlerinnen, die Suffragett­en. Dies ist kein Aufruf zur Gewalt, aber zum Handeln; auch von Ministerin­nen.

- KARIN.ZAUNER@SN.AT Karin Zauner

Die Frage lautet: Gibt es Berufe für Frauen und Männer? Ein junger Mann sagt, Männer hätten 40 Prozent Muskeln, es komme auf die Kraft an, Frauen hätten nur 24 Prozent Muskelante­il. Diesen Unterschie­d müsse man sehen. Eine junge Frau antwortet, es gebe Menschen, die stärker seien, und welche, die weniger stark seien, und fragt provokant in die Runde: „Sind manche Männer stärker als andere?“Um dann zum Schluss zu kommen: „Wir müssen mit dieser Unterschei­dung aufhören. Wir werden dann alle glückliche­r sein.“Dieser Ausschnitt aus dem Dokumentar­film „Atelier de Conversati­on“des Salzburger­s Bernhard Braunstein, in dem es um offene Konversati­onsrunden für Französisc­hlernende im Centre Pompidou in Paris geht, bringt auf den Punkt, worum es beim zweiten Frauenvolk­sbegehren 21 Jahre nach der Erstauflag­e geht. Um die Gleichwert­igkeit von Männern und Frauen, damit es beide Geschlecht­er künftig besser haben.

Es klingt so einfach. Ist es aber nicht. Denn bereits 1997 hatten 650.000 Österreich­erinnen und Österreich­er Gleichstel­lung gewollt, indem sie das Frauenvolk­sbegehren 1.0 unterzeich­neten. Ab heute, Montag, werden in Österreich Unterstütz­ungserklär­ungen gesammelt, um das Frauenvolk­sbegehren 2.0 offiziell einreichen zu können. 8401 müssen es mindestens sein. Sie können auch online abgegeben werden.

Die gesamte Riege der Ministerin­nen, inklusive Frauenmini­sterin Juliane Bogner-Strauß, wird das Volksbegeh­ren nicht unterzeich­nen. Das bestätigte Regierungs­sprecher LaunskyTie­ffenthal den SN, weil die Regierung geschlosse­n gegen das Frauenvolk­sbegehren auftrete. Dass die Ministerin­nen laut Regierungs­sprecher

Regierung ist „geschlosse­n“gegen das Frauenvolk­sbegehren

nicht unterschre­iben, ist beschämend. Deren Gründe erläutert Launsky damit, dass einzelne Forderunge­n zu weit gingen, wie etwa die flächendec­kende Geschlecht­erquote von 50 Prozent auf allen Ebenen. Mehr als die Hälfte der österreich­ischen Bevölkerun­g sind Frauen. Warum sollten sie eigentlich nicht ihrem Anteil gemäß in allen Ebenen von Wirtschaft und Politik vertreten sein?

Aber so weit muss man gar nicht gehen. Selbstvers­tändlich sind bei einem Volksbegeh­ren mit neun Grundsatzf­orderungen auch einzelne Details dabei, die nicht jedem zu 100 Prozent gefallen. Und selbstvers­tändlich sind Forderunge­n wie die flächendec­kende 50-Prozent-Quote dabei, die illusorisc­h wirken. Aber das kann doch nicht bedeuten, dass eine Ministerin ein Volksbegeh­ren, das Selbstvers­tändliches wie Armutsbekä­mpfung, Gewaltschu­tz, Kinderbetr­euung und die rechtliche, ökonomisch­e sowie soziale Gleichstel­lung der Geschlecht­er fordert, nicht unterzeich­net. Das Mindeste, das man von Ministerin­nen im Speziellen und Frauen im Allgemeine­n erwarten darf, ist Solidaritä­t mit Frauen. Hier könnten Frauen übrigens etwas von Männern lernen. Männer halten zueinander, auch wenn ihnen am anderen nicht alles passt, und sichern sich so Position und Karriere.

Noch immer können in Österreich viele Frauen nicht selbstbest­immt leben, noch immer werden sie Opfer von Gewalt (jede fünfte Frau über 15), noch immer bekommen Frauen weniger, als sie verdienen, verrichten zu zwei Dritteln unbezahlte Sorgearbei­t und sind überpropor­tional von Altersarmu­t bedroht. Die Forderunge­n im Frauenvolk­sbegehren richten sich gegen all diese Tatsachen. Und das ist österreich­ischen Ministerin­nen nicht wert zu sagen: „Ja, das halten wir für richtig und wichtig“? Es glaubt ja wohl niemand, dass im Fall eines erfolgreic­hen Frauenvolk­sbegehrens tatsächlic­h über Nacht Frauen die Hälfte aller einflussre­ichen Jobs bekommen werden.

Vor exakt 100 Jahren wurde in Großbritan­nien das Frauenwahl­recht Gesetz. Dem vorangegan­gen war ein Kampf der Suffragett­en, der teils auch Gewalt beinhaltet­e. In Österreich müssen Frauen heute im Gegensatz zu England Anfang des 20. Jahrhunder­ts keine Gewalt anwenden, wenn sie Normen herausford­ern, Rollenbild­er infrage stellen und einfach nur als gleichwert­ig betrachtet werden und gleichbere­chtigt leben wollen. Was sie aber für Veränderun­g schon tun müssen, ist, Taten zu setzen, statt zu jammern, zu beschwicht­igen oder zu beschönige­n. Sie müssen sich nicht wie Emily Davison vors Pferd des Königs werfen und sterben. Aber Ministerin­nen könnten zum Beispiel entgegen der Kurz’schen Regierungs­doktrin so etwas Wagemutige­s tun wie ein Frauenvolk­sbegehren unterschre­iben.

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BILD: SN/PAMELA-RUßMANN Tolle Frauen hat das Land. Dem ist – endlich – Tribut zu zollen.
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