Nahles übernimmt SPD sofort
Die deutschen Sozialdemokraten versuchen Schadensbegrenzung. So rasch wie möglich sollen klare Verhältnisse geschaffen werden.
Nach den jüngsten Turbulenzen bei der SPD verdichten sich die Anzeichen, dass Andrea Nahles kommissarisch sofort den Parteivorsitz von Martin Schulz übernehmen wird. Eine Präsidiumssitzung morgen, Dienstag, soll den Wechsel laut Medienangaben fixieren.
Nach dem Debakel um Martin Schulz, der nach der Aufgabe des Parteivorsitzes wegen Widerstands an der Basis auch nicht Außenminister in der geplanten Koalition mit CDU/CSU werden wird, wächst der Druck, rasch klare Verhältnisse zu schaffen. Denn in den kommenden Wochen steht bis zum Einsendeschluss am 2. März der Entscheid der rund 463.000 SPD-Mitglieder über den Eintritt in die Große Koalition an. Wenn das Präsidium grünes Licht für einen sofortigen Stabwechsel gibt, würde Nahles zunächst kommissarisch SPD-Vorsitzende, binnen drei Monaten müsste sie dann von einem Sonderparteitag mit 600 Delegierten gewählt werden. Bisher war geplant, dass Nahles erst im März übernimmt.
Trotz des Verzichts von Schulz auf das Amt des Außenministers in einer Großen Koalition scheint Amtsinhaber Sigmar Gabriel nicht auf ein Weitermachen hoffen zu können. „Sigmar Gabriel ist ein guter Außenminister gewesen“, sagte der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner. Viele in der Parteiführung nehmen Gabriel seine jüngste Kritik an Schulz übel. Zudem ist sein Verhältnis zur designierten neuen SPDVorsitzenden Andrea Nahles stark belastet. Er stand bereits 2016 kurz vor der Ablöse als Parteichef.
Als Kandidaten für das Außenministerium gelten unter anderem Justizminister Heiko Maas und Familienministerin Katarina Barley.
Schulz hatte am Freitag nach massivem Druck den Verzicht auf ein Regierungsamt erklärt. Nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen von Union und SPD am Mittwoch hatte er noch Anspruch auf den Posten des Außenministers erhoben – obwohl er nach der Wahl ausgeschlossen hatte, in ein Kabinett von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einzutreten. Unter ihm hatte die SPD das schlechteste Bundestagswahlergebnis ihrer Geschichte eingefahren und ist auf 17 Prozent in Umfragen gefallen.
Parteivize Olaf Scholz warb am Sonntag eindringlich für eine neue Große Koalition. Es gehe darum, wie es mit Deutschland und mit Europa weitergehen solle, sagte er in Hamburg.
Weil die Nachfolge mit Nahles wieder im kleinsten Kreis ausgeheckt worden ist, werden inzwischen die Rufe nach einer Urwahl durch die Mitglieder beim nächsten Mal lauter.