„Radikale sind für mich lächerlich“
In Songtexten spuckt er große Töne. Seine Meinung sagt er klar, legt sich mit Politikern an. Warum Rapper Nazar auf Kritiker pfeift und lieber Sprachrohr für Junge ist statt ein perfekter Moslem.
Selten flucht ein Autor so ausgiebig, wie Ardalan Afshar es tut. Wenige Seiten seiner Autobiografie „Mich kriegt ihr nicht“kommen ohne Schimpfwörter aus. Sie treffen die Konkurrenz in der Musikbranche oder Österreichs Kanzler Sebastian Kurz. Besser bekannt ist Afshar unter seinem Künstlernamen Nazar. Der 33-jährige gebürtige Iraner ist Österreichs erfolgreichster Rapper. Einer breiteren Öffentlichkeit wurde er bekannt, als er 2015 bei einem Konzert FPÖ-Chef HeinzChristian Strache als „Hurenkind“bezeichnete. Strache klagte. Nazar zahlte.
Beim Interview mit den „Salzburger Nachrichten“ist keine Spur von Provokation und Geprahle zu hören. Man trifft ihn in einem Wiener Café. Er bestellt einen frisch gepressten Orangensaft. Warum ein so junger Mensch bereits eine Biografie schreibt? „Wie viele Leute kennst du, die so wie ich gelebt haben? Ich habe jetzt schon für mehr als ein Leben gelebt“, kontert Nazar.
Harte Zeiten hat er schon als Kind durchgemacht. Im Krankenhaus im Iran wurde er durch eine verunreinigte Spritze infiziert. Nachwirkungen spürt er bis heute. Als Flüchtlingskind ist er nach Österreich gekommen. Der Vater war im Krieg gefallen. Eigentlich waren seine Mutter, sein Bruder und er auf der Flucht in die USA. Doch sie sind hier geblieben – der kranke Bub im Ordensspital Speising in Wien, Mutter und Bruder im Flüchtlingsheim in Traiskirchen. Als die Aufenthaltsbewilligung kam, ging die Familie nach Wien und lebte im zehnten Bezirk.
Begegnungen mit der Polizei gehörten für Nazar schon als Schüler dazu. Schlägereien waren nur ein Anlass, warum er Wachstuben und Gerichtssäle früh kennenlernte. Welche Ausbildung er gemacht hat? „Ich habe meinen Doktor als Straßenprovokationstechniker gemacht“, erklärt er und nippt an seinem Orangensaft im Café. Dabei schmunzelt er, bevor er ernst wird und von 2008 berichtet. In diesem Jahr saß er in Untersuchungshaft. Grund: Er hat einen Serben, der ihn bedroht hatte, zusammengeschlagen. Der Mann behauptete bei der Polizei, Nazar habe ihm auch die Geldtasche geraubt. Erst nach sechs Wochen gelang es einem Anwalt, Nazars Unschuld (in Sachen Raub) zu beweisen und ihn auf freien Fuß zu setzen. „Ich war kein ,good guy‘. Auch wenn ich diesen Raubüberfall so nicht begangen hatte, geschah es mir schon ganz recht, dass ich gesessen bin. Es hat mir nämlich dabei geholfen, nie wieder dort zu landen“, sagt der 33-Jährige.
Statt Karriere als Krimineller zu machen, konzentrierte er sich auf seine Musik. Zu dieser Zeit wurde aus Ardalan Afshar ein Rapper mit Künstlernamen Nazar. Seine Arbeit beschreibt er als „höchste Kunst im Songwriting“, weil Reimketten, die auch noch einen Sinn ergeben, drei Mal schneller gesprochen werden als in Popsongs. Früher hat Nazar Gitarre gespielt; heute ist er nur mehr mit Sprechgesang unterwegs. Sein letztes Album „Irreversibel“erreichte 2016 Gold-Status; das neue Album folgt im Mai.
Nicht nur mit Musik macht Nazar auf sich aufmerksam. Der gebürtige Perser beschreibt sich als hochpolitischen Menschen. Daheim in Wien-Favoriten war Politik immer Thema, „und sei es nur, weil wir Ausländerkinder uns dauernd mit Nazis herumschlagen mussten“. Heute diskutiert er mit Teenagern in Jugendzentren über das, was in Österreich passiert. Er hört sich die Meinungen derer an, die mit Ausländern nichts anfangen können. Dann hält er dagegen.
In seiner Biografie spart Nazar nicht mit Schelte. Mit Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geht er hart ins Gericht. „Als Integrationsstaatssekretär hat er mir gefallen. Mit seiner neuen Position schauen seine Meinungen völlig anders aus“, kritisiert der Rapper. In seinem Buch greift er zu deutlicheren Worten: „Seine einzige Überzeugung ist die, dass er bereit ist, jedem in den Arsch zu kriechen, der dafür sorgt, dass er beruflich erfolgreich ist.“
Sich verstellen – das käme für Nazar nicht infrage. Zwar sei er öfter gefragt worden, in die Politik zu gehen, aber die sei für ihn „das Ekelhafteste“: „Ich müsste mich betrügen und belügen, wenn ich mich in einen Anzug zwängen würde.“Lieber nutze er seine Bekanntheit, um Botschaften bei jungen Menschen loszuwerden. Etwa die, dass er keinen Hass unter Religionen toleriere. Als muslimisches Kind sei er immerhin von katholischen Krankenschwestern im Spital aufgepäppelt worden. Ob er sich heute als guten Moslem bezeichnen würde? „Wahrscheinlich gibt es welche, die das nicht so sehen. Ich bin voll tätowiert und trinke Alkohol“, sagt er. Salafisten findet er – genau wie Rechtspopulisten – gefährlich. Und lächerlich. Das schreibt er auch in seinem Buch. Der Verlag habe es rechtlich prüfen lassen, bevor es gedruckt wurde. „Es würde mich nicht wundern, wenn sich trotzdem wer findet, der mich verklagt“, sagt Nazar lachend.