Abgeschaffter Pflegeregress verursacht enorme Kosten
Die teuren Folgen eines Wahlzuckerls: Gemeinden fordern 500 Millionen Euro vom Bund und drohen andernfalls mit einer Klage beim Verfassungsgerichtshof.
Die Abschaffung des Pflegeregresses war im Wahlkampf allgemein begrüßt worden. Nun stellt sich aber Katerstimmung ein. Dass bei Heimbewohnern nicht mehr auf das Privatvermögen zugegriffen werden kann, verursacht den Ländern und Gemeinden als Heimbetreiber große Einnahmenausfälle. Gleichzeitig erhöht die regresslose Pflege in den Heimen den Bedarf an Heimplätzen, was ebenfalls hohe Kosten nach sich zieht. In Summe rechnet der Gemeindebund mit zusätzlichen Ausgaben von 350 bis 500 Millionen Euro pro Jahr. Vom Bund als Kostenersatz sind aber nur 100 Millionen Euro zugesagt.
Wenn die Gemeinden nicht die wahren Kosten für die Pflege ersetzt bekämen, könnten sie andere Aufgaben wie die Kinderbetreuung, den Schul-, Kanal- oder Straßenbau nicht mehr erfüllen, warnt Gemeindebundpräsident Alfred Riedl. Er fordert daher sofortige Verhandlungen mit dem Bund. Dieser habe die an sich sinnvolle Abschaffung des Pflegeregresses beschlossen, daher müsse er sie nun auch finanzieren, argumentiert Riedl. Andernfalls werde man beim Verfassungsgerichtshof eine Klage einbringen. Schließlich dürfe keine Gebietskörperschaft der anderen Kosten aufbürden. Allein für Salzburg wird mit jährlichen Mehrkosten von 21 Millionen Euro gerechnet. Das Finanzministerium sagte in einer ersten Reaktion Gespräche zu.
Auf die „menschlichen Folgen“der Abschaffung des Pflegeregresses im vergangenen Wahlkampf machte am Montag der Sozialrechtler Wolfgang Mazal aufmerksam: Da nun nicht mehr der Verlust des Erbes drohe, seien Pflegebedürftige verstärktem Druck seitens ihrer Familie ausgesetzt, in ein Heim zu gehen. Und das, obwohl alte Menschen laut Umfragen mehrheitlich lieber nicht in einem Pflegeheim, sondern in ihrem gewohnten Umfeld betreut würden, so Mazal.
Der Nationalrat scheint die Folge seines Beschlusses, dass die Pflege im Heim „gratis“sein soll, auch finanziell falsch eingeschätzt zu haben. Er ging davon aus, dass der Nicht-mehr-Zugriff auf das Vermögen der Pflegeheimbewohner 100 Millionen Euro kosten wird. Diese Summe wurde den Ländern und Gemeinden, die die Heime betreiben, als Ersatz für den Ausfall der Einnahmen aus dem Pflegeregress zugesagt.
Nun stellt sich aber heraus, dass die Kosten für die Kommunen viel höher sind. Denn sie können nun nicht nur nicht mehr auf das Vermögen neu ins Heim kommender Pflegebedürftiger zugreifen. Sie bekommen auch von den bisherigen „Selbstzahlern“in den Heimen kein Geld mehr. Und noch dazu müssen sie wegen des ver- stärkten Zustroms in die Heime nun auch neue Pflegeheimplätze schaffen. In Summe werden die Mehrkosten bei 350 bis 500 Millionen Euro liegen, schätzt Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl. In Salzburg wird mit Mehrkosten von 21 Millionen Euro gerechnet, heißt es im Büro von Finanzlandesrat Christian Stöckl.
Diese Kosten wollen die Gemeinden nun ersetzt bekommen. Der Bund habe die an sich begrüßenswerte Abschaffung des Pflegeregresses beschlossen, nun müsse er auch die Kosten übernehmen, fordert Riedl. Andernfalls könnten die Gemeinden ihre anderen Aufgaben wie die Kinderbetreuung, den Schul- oder den Straßenbau nicht mehr erfüllen. Die Regierung müsse rasch in Verhandlungen über diese dringende Forderung eintreten, andernfalls werde der Gemeindebund den Weg zum Verfassungsgerichtshof einschlagen, sagt Riedl. Der Unmut in den Gemeinden sei groß.
Grundsätzlich fordert der Gemeindebund eine Regelung, dass der Nationalrat in Wahlkampfzeiten keine budgetwirksamen Beschlüsse mehr fassen darf.