Die Flucht führt bis in die Reality-Show
Tragikomödie und bitterböse Parodie: Yael Ronens „Gutmenschen“feierte in Wien Premiere.
Das Gegenteil von Gutmensch ist Unmensch. „Ich lass mich gerne Gutmensch nennen“, sagt Klara im neuen Stück der Regisseurin Yael Ronen, das am Sonntag Uraufführung im Wiener Volkstheater feierte.
Mit „Gutmenschen“schließt Ronen an „Lost and Found“an, das Wirklichkeit und Fiktion verbindet und damit endet, dass der real aus dem Irak geflüchtete Yousif Ahmad bei seiner Cousine Maryam (Birgit Stöger) vorübergehend einzieht.
In der Zwischenzeit sind drei Jahre vergangen und Yousef (so heißt Yousif als Bühnenfigur) wohnt immer noch bei Maryam. Ausgangspunkt für die Fortsetzungsarbeit ist seine wirkliche Geschichte: Der Erhalt eines negativen Asylbescheids ist Thema von „Gutmenschen“, einer Tragikomödie über die Kälte der Politik und zugleich Parodie auf eine zur Schau gestellte politische Korrektheit, die vorgetäuschte Haltungen mit echten konterkariert. Daraus resultieren komische Momente, etwa wenn sich die linksaktivistische Sängerin Klara spontan bereit erklärt, Yousef zu heiraten. Für einen Moment ist sie die uneigennützige Heldin.
Doch unter dem Vorwand, sich für Yousef einzusetzen, verschafft sie sich in Maryams Realityshow einen Auftritt und promotet in erster Linie sich selbst. Frei nach Hubert von Goiserns „Weit, weit weg“singt Katharina Klar als Klara „Jetzt bist so weit rechts von mir“und meint den Rechtsruck in Österreich.
Gelungen ist auch die Parodie auf Dietrich Mateschitz’ neue Red-BullBiolinie. Maryam inszeniert dafür eine Realityshow, um die Öffentlichkeit für Yousef zu mobilisieren.
Ausstatter Wolfgang Menardi schafft einen bizarren Rahmen für die Show. Birgit Stöger als Maryam montiert rote Flügel an Sesselkanten. Auch neckische Aufkleber am Kostüm des schwulen Moritz und ein Ganzkörperanzug seines Partners Schnute machen sich über Markenbotschaften lustig.
Für die Schieflage, in die das Land geraten ist, stehen die schrägen Böden. Weiß markiert sind Türen, Fenster und Wände. Die Grenzen sind unüberschaubar geworden. Auch Yousefs Freunde stoßen an ihre Grenzen, doch halten sie zusammen, diese Gutmenschen, die ausgleichen, wo die Regierung versagt. Am Ende tritt Jutta Schwarz als Schnutes Mutter Ute auf, Repräsentantin des rechtspopulistischen Diskurses. Ute hört nicht zu, denn sie hat ihre fixe Meinung, Ute ignoriert, dass ihr Sohn schwul ist, Ute diskriminiert Frauen, die Kopftuch tragen und Ute besteht darauf, auf der Bühne zu rauchen. „Zum Glück ist die neue Regierung gegen das Rauchverbot!“
Yael Ronen und Ensemble ist eine bitterböse Parodie geglückt. Manchmal aber bleiben die Szenen auf der Ebene des Geplänkels stecken. Dann fehlt es an dramaturgischer Verdichtung und Reflexion. Die Uraufführung wurde heftig bejubelt.
Theater: „Gutmenschen“von Yael Ronen und Ensemble, Wien, Volkstheater, Termine bis 25. 3.