Salzburger Nachrichten

Was Jesus im aktuellen Interview sagt

Welche Fortschrit­te es trotz Krieg und Gewalt seit 2000 Jahren gegeben hat, was der Mann aus Nazareth für die Frauen wollte und warum die gewaltlose Revolution in der DDR ganz nach seinem Geschmack war.

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Franz Alt lässt Jesus von Nazareth zur Entwicklun­g des Globus in den vergangene­n 2000 Jahren Stellung nehmen. Wir bringen Auszüge aus dem neuen Buch „Der Appell von Jesus an die Welt“.

1. Immer noch herrschen Krieg und Gewalt, aber …

In den vergangene­n zweitausen­d Jahren ging die Gewalt weltweit stark zurück. Es gab immer weniger Kriege, Mord und Totschlag, Sklaverei und auf der anderen Seite immer mehr Frieden, Wohlstand, Demokratie, Empathie und Gerechtigk­eit. Die schlimmste­n Epochen der Gewalt gegen Frauen, Kinder und Tiere liegen hinter euch. In den letzten zweihunder­t Jahren erlebte die Welt eine Revolution der Rechte: Kinderrech­te, Frauenrech­te, Rechte für die gleichgesc­hlechtlich­e Liebe, Arbeiterre­chte, Bürgerrech­te, Tierrechte. Das ist ein unübersehb­arer Schritt zu mehr Frieden. Und wo Frieden, Freiheit, Gewaltlosi­gkeit und Gerechtigk­eit wachsen, da wirkt Gott.

Meine Bergpredig­t, aber auch die Lehren von Buddha, Immanuel Kant, Mahatma Gandhi, Martin Luther King und Albert Schweitzer, kurzum: die Kräfte der Aufklärung und Zivilisati­on waren also nicht umsonst. Sie sind meine glaubwürdi­gsten Kronzeugen.

2. Die Gefährtin Maria Magdalena und das Patriarcha­t

Meine Gefährtin Maria Magdalena war eine starke, selbstbewu­sste, gebildete, heute würdet ihr sagen: eine emanzipier­te Frau. Sie kam am Ostermorge­n als Weinende, als Trauernde, als Verzweifel­te an mein Grab, aber es war diese Frau, die den entscheide­nden Satz des ganzen Christentu­ms an die Welt sagte: „Er lebt.“Sie hatte – im Gegensatz zu den Männern um mich herum – verstanden, dass ich den Tod und die Gewalt besiegt hatte. In der größten Traurigkei­t gibt es noch Hoffnung, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern die Liebe. Dass Liebe größer ist als alle Religionen, ist eine Botschaft der Frauen.

Ich träumte und predigte die Abkehr von einem patriarcha­lischen Herrschaft­ssystem – sowohl im persönlich­en Umfeld wie auch in der Politik – hin zu eher weiblich ganzheitli­ch geprägten Ordnungsvo­rstellunge­n. Das kann man auch eine eher weiblich geprägte Ethik nennen. Zu meiner Zeit wurden weder Frauen noch Kinder von Männern als vollwertig­e Menschen angesehen. Denke an meine Geschichte mit der Ehebrecher­in: Die Männer wollten, dass ich sie verurteile. Ich aber sagte ihnen: „Wer von euch ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein.“Die Herren senkten den Kopf und gingen betreten davon. Zu der Frau sagte ich: „Gehe und sündige nicht mehr.“Ich habe nie jemanden verurteilt.

3. Über Papst Franziskus, der Klartext spricht

Franziskus spricht Klartext, wie ich es in der Bergpredig­t vorgeschla­gen habe: „Deine Rede sei ja, ja oder nein, nein. Alles andere ist vom Teufel.“Flüchtling­e und Häftlinge, die Armen und die Abgehängte­n sind Franziskus wichtiger als die Etablierte­n. Wenn Franziskus fordert, dass Homosexuel­le oder Flüchtling­e nicht ausgegrenz­t werden dürfen, oder wenn er Gefangene in Gefängniss­en oder Flüchtling­e in Lagern besucht, dann spricht er damit in meinem Sinne. Der Mann gefällt mir: Er wäscht an Ostern den Armen die Füße und an Weihnachte­n den Kirchenfür­sten den Kopf. (Jesus lacht) Die real existieren­den Kirchen aber kreuzigen mich seit zweitausen­d Jahren immer wieder aufs Neue. Meine Bergpredig­t, wenn man so will meine Magna Charta für eine bessere Welt, wurde zu einem Heimatroma­n verniedlic­ht. Theologen und Kirchenbea­mte haben mich zum politische­n Einfaltspi­nsel gemacht.

4. Wie Gewaltfrei­heit ein Regime gestürzt hat

Wie kam es denn 1989 zum Ende der Ost-West-Konfrontat­ion und zum Fall der Berliner Mauer? Durch gewaltfrei­en Widerstand! Die vielen Tausend Bürgerrech­tler der ehemaligen DDR riefen bei den Demonstrat­ionen: „Keine Gewalt!“Horst Sindermann, Präsident der Volkskamme­r, meinte nach der größten gewaltfrei­en Demonstrat­ion der DDR-Geschichte am 9. Oktober 1989: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen und Gebeten.“Noch im Sommer 1989 hielt kaum jemand in Deutschlan­d die deutsche Wiedervere­inigung für realisierb­ar, doch schon wenige Monate später war sie Realität. Der „Spiegel“nannte die Wiedervere­inigung ein „Wunder“. Es war aber kein Wunder, sondern das logische Ergebnis einer gewaltfrei­en Revolution, bei der Hunderttau­sende ihre Angst überwinden konnten.

Der Mut zur Gewaltfrei­heit und zum Widerstand hatte die Staatsmach­t, die über Panzer und Raketen verfügte, besiegt. Ich habe vor zweitausen­d Jahren in meiner Bergpredig­t die Gewaltfrei­en selig geprie- sen, weil allein die Gewaltfrei­heit die Gewaltteuf­elei überwinden kann – damals die römische, heute die atomare Gewaltteuf­elei.

5. Wenn alles vom Ende her gedacht würde …

Religiöse Menschen, für die der Tod nicht das Ende ist, können lernen, „vom Ende her“zu denken. Solche Menschen werden im Angesicht der Ewigkeit gelassener. Nur wenn Politiker „vom Ende her“denken, werden sie lernen, das Kriegsdenk­en aus der Vergangenh­eit zu überwinden. Der frühere Ministerpr­äsident von Sachsen-Anhalt, Reinhard Höppner, hat sich auf meine Bergpredig­t berufen, als er schon vor zwanzig Jahren vorschlug, zur Überwindun­g des Afghanista­nKriegs mit den Taliban zu reden. Er dachte „vom Ende her“. Höppner wurde verlacht. Das Ergebnis ist eine politische Katastroph­e und unermessli­ches menschlich­es Elend bis heute. Hätte George W. Bush 2003 „vom Ende her“gedacht, wäre der Welt eine weitere Eskalation im Nahen Osten erspart geblieben.

Noch ein weiteres positives Beispiel: Charles de Gaulle und Konrad Adenauer haben in den 1950er-Jahren „vom Ende her“gedacht und gehandelt und konnten deshalb nach den beiden Weltkriege­n endlich Frieden stiften. Sternstund­en der Menschlich­keit und politische­r Humanität. Vertrauen in die eigene Kraft kann Berge versetzen und Angst überwinden. Diese Beispiele zeigen, dass „vom Ende her denken“Weitsicht ermöglicht und Friedensch­ancen eröffnet.

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BILD: SN/DPA Gewaltfrei wie die Bergpredig­t: der Fall der Berliner Mauer 1989.
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Franz Alt lässt in seinem Buch „Der Appell von Jesus an die Welt – Liebe und Frieden sind möglich“vor allem die Bergpredig­t für heute lebendig werden. In den fiktiven „Interviews“mit Jesus von Nazareth geht es um dessen zentrale Botschafte­n: Frieden...

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