Die Droge Alkohol wird schnell unheimlich
Unsere Gesellschaft geht äußerst fahrlässig mit dem Alkohol um. Warum ist der Zwang, einen mitzutrinken, noch immer derart groß?
„Um das Rauchen wird ein riesiges Tamtam gemacht, aber um die extrem gefährliche Droge Alkohol kümmert sich niemand.“Diese Klage führte im SN-Gespräch ein 58-jähriger Mann, dem sein eigener Alkoholkonsum unheimlich geworden war. Es war ein mühsamer Weg für ihn, von der Alkoholkrankheit loszukommen, und es bleibt mühsam, sich jeden Tag wieder bewusst zu machen, dass schon der geringste Tropfen – etwa ein sogenanntes alkoholfreies Bier – den neuerlichen Absturz bedeuten würde.
In Österreich gelten rund 340.000 Menschen als alkoholkrank, knapp 735.000 Österreicher konsumieren Alkohol regelmäßig in einem gesundheitsschädlichen Ausmaß. Männer sind drei Mal häufiger betroffen als Frauen. Mit mehr als zwölf Litern Alkohol pro Kopf und Jahr haben die Österreicher den dritthöchsten Verbrauch im Vergleich der OECD-Länder.
Alkohol wird nicht zuletzt deshalb verharmlost, weil Bier, Wein und Schnaps große Wirtschaftszweige sind. Einen weiteren Grund sehen Experten darin, dass Österreich keine Trinkkultur habe. Jetzt im Winter feiern die im wahrsten Sinne berauschenden Après-Ski-Partys fröhliche Urständ. Im Sommer locken die Bierzelte zum ungehemmten Konsum. „Sei nicht so fad, heb noch einen“, heißt es dann. Trockene Alkoholkranke wissen ein böses Lied davon zu singen, wie schwierig es ist, sich diesem Drängen zu entziehen. Ein Betroffener sagte, man müsse sich ständig rechtfertigen, wenn man keinen Alkohol trinke. Am ehesten helfe zu sagen „Ich fahre mit dem Auto“oder „Ich bin schwanger“oder „Ich habe Krebs im Endstadium“. Alles andere werde nicht akzeptiert.
So wird Alkohol zur Gewohnheit. Von da ist es nicht mehr weit, bis der Körper sich an die regelmäßige Alkoholzufuhr anpasst und die Toleranz schleichend erhöht – bis in der kritischen Phase die Kontrolle verloren geht. Andere Interessen werden vernachlässigt. Wird nicht getrunken, treten Entzugserscheinungen wie Zittern oder Schweißausbrüche auf.
Der Weg aus der Sucht ist lang und anstrengend, aber möglich. Das sagen nicht nur Experten, das sagt auch der 58-Jährige, der den SN seine Leidensgeschichte erzählte, um anderen Warnung und Beispiel zu sein. Wirksame und nachhaltige Hilfe gibt es. Entscheidend ist, sich des Problems bewusst zu werden und den ersten Schritt zu tun. Das freilich wird den Betroffenen massiv erschwert, weil die Öffentlichkeit extrem fahrlässig mit der Droge Alkohol umgeht.
Die Fastenzeit ist ein Anlass, sich selbst zu kontrollieren und zur Bewusstseinsbildung beizutragen.