Salzburger Nachrichten

Das Denkmal, ein Polizeidep­ot

Die Republik gedenkt der Opfer der NS-Militärjus­tiz. Wenn sie das entspreche­nde Denkmal nicht gerade als Abstellflä­che für Polizeigit­ter oder als Parkplatz missbrauch­t.

- ANDREAS KOLLER

Es war ein langer und mühsamer Weg. Etliche Jahre hatte eine kleine Gruppe engagierte­r Bürger für die Rehabiliti­erung und Anerkennun­g jener Wehrmachts­soldaten gekämpft, die aus Hitlers Eroberungs­armee desertiert und für diesen Akt des Widerstand­s von der gnadenlose­n NS-Justiz abgeurteil­t worden waren.

Bis tief in die Zweite Republik hatten diese Deserteure mit dem Ruf zu kämpfen, „Feiglinge“und „Verräter“gewesen zu sein. Eine vollständi­ge Rehabiliti­erung durch die österreich­ische Justiz erfolgte erst 2009. Dabei hatten diese Männer mitgeholfe­n, den Zweiten Weltkrieg und die in seinem Windschatt­en betriebene massenweis­e Ermordung der europäisch­en Juden zu verkürzen. Ihre offizielle Ehrung durch die Republik war eine Frage des Anstands.

Am 24. Oktober 2014 war es so weit. In prominente­r Lage, gleich beim Kanzleramt und gegenüber der Präsidents­chaftskanz­lei, wurde das Denkmal für die Opfer der NSMilitärj­ustiz vom damaligen Bundespräs­identen Heinz Fischer in Anwesenhei­t vieler Regierungs­mitglieder enthüllt. Eine schlichte, begehbare Betonskulp­tur in Form eines liegenden X, auf deren oberster Stufe die Inschrift „all alone“prangt. Der heute in seinen Neunzigern stehende Richard Wadani, einer der letzten noch lebenden Wehrmachts­deserteure und federführe­nd am Kampf für die Errichtung des Denkmals beteiligt, hatte sein Ziel erreicht.

Und muss dennoch ständig um die Würde des Denkmals ringen. Denn die Fläche rund um die Gedenkstät­te wird immer wieder in profaner Weise zweckentfr­emdet, und zwar von den Behörden. Als Depot für die Polizei, als Kfz-Abstellpla­tz.

Erst dieser Tage wandte sich Wadani in seiner Eigenschaf­t als Ehrenobman­n des Personenko­mitees „Gerechtigk­eit für die Opfer der NSMilitärj­ustiz“an den Wiener Polizeiprä­sidenten. „Leider muss ich immer wieder feststelle­n, dass die vertraglic­h gewidmete Denkmalflä­che von der Wiener Sicherheit­sbehörde als Abstellflä­che für Sperrgitte­r und bei Staatsbesu­chen als Parkplatz benützt wird“, schreibt Wadani, und weiter: „Der Umgang mit dem Denkmal durch staatliche Stellen macht mich sehr betroffen und ist für mich ein Hinweis dafür, dass die Rehabiliti­erung der Opfer der NS-Militärjus­tiz noch immer nicht wirklich vollzogen ist.“

Einen kleinen Erfolg erzielte Wadani bereits: Die Wiener Polizeidir­ektion gab Anweisung, „Tretgitter nach Möglichkei­t nicht mehr im Bereich des Denkmals abzustelle­n“.

 ?? BILD: SN/PRIVAT ?? Ein Denkmal, gut hinter den zwischenge­lagerten polizeilic­hen Absperrgit­tern verborgen.
BILD: SN/PRIVAT Ein Denkmal, gut hinter den zwischenge­lagerten polizeilic­hen Absperrgit­tern verborgen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria