Eine Frau zersticht Egon Schieles Gemälde
Trude Engel war mit ihrem Porträt offenbar unglücklich. Das Lentos in Linz zeigt dies auf.
LINZ. Die Tochter des Zahnarztes Dr. Hermann Engel war über das Porträt, das Egon Schiele von ihr gemalt hatte, so entsetzt, dass sie es offenbar zerstören wollte. Sie soll es mit einem Messer attackiert haben, auf der Rückseite sind die Einstiche heute noch sichtbar – im Röntgenbild wie an den mit Retuschen versehenen Pappstreifen, die über die fransigen Löcher geklebt sind.
Nun ist das Ölgemälde „Bildnis Trude Engel“eines der kostbaren Exponate, mit dem das Linzer Museum Lentos die neue Ausstellung „Gesammelte Schönheit“bestückt. Doch um 1913 hat es Egon Schiele – wie fünf weitere Werke – seinem Zahnarzt überlassen, weil er Rechnungen nicht bar bezahlen konnte.
Auch der Zahnarzt selbst habe kein Verständnis für Schieles Kunst gehabt und die Bilder bald verschenkt, heißt es in der Pressemitteilung zur neuen Ausstellung. 1953 habe es Wolfgang Gurlitt erworben. Dieser war Gründungsdirektor der damaligen „Neuen Galerie der Stadt Linz“, dem heutigen Lentos; er war übrigens der Onkel von Cornelius Gurlitt, dessen in München und Salzburg verwahrte Sammlung ab 2012 für Aufsehen gesorgt hat.
Das Lentos zeigt ab heute, Freitag, alles an Werken von Gustav Klimt, Kolo Moser und Egon Schiele aus Sammlungen von Stadt Linz und Land Oberösterreich. Dies wird um private Leihgaben ergänzt. Alle drei Künstler sind vor 100 Jahren gestorben – Gustav Klimt am 6. Februar an einem Schlaganfall, Kolo Moser am 18. Oktober an einem Kiefersarkom und Egon Schiele am 31. Oktober an der Spanischen Grippe. In den 176 Exponaten findet sich von jedem der drei eines der spätesten Werke: Als Kolo Moser „Venus in der Grotte III“malte, brach seine Krebserkrankung aus. Gustav Klimts „Frauenkopf“aus 1917, eine Zimelie des Lentos und ebenfalls von Wolfgang Gurlitt erworben, gilt als eines seiner letzten Werke. Aus Egon Schieles Todesjahr stammt das „Bildnis Arthur Rössler“, in dem er einen seiner frühesten Sammler porträtiert hat, der bald nach Schieles Tod die ersten Monografien publizieren sollte.
Das Lentos bereitet über die großen Drei auch den biografischen und zeitgeschichtlichen Kontext auf. Im Untergeschoß werden die drei Künstler sowie jene Sammler vorgestellt, deren Käufe und Schenkungen in die Sammlungen von Stadt und Land eingegangen sind.
Das Forschungsprojekt zu „Bildnis Gertrude Engel“wird ebenso präsentiert wie Provenienzforschungen und Restitutionen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus. Deswegen sind bisher dreizehn Werke – vornehmlich aus dem Lentos – restituiert worden. Ausstellung: „1918 – Klimt, Moser, Schiele, Gesammelte Schönheiten“, Lentos Linz, bis 21. Mai.