Salzburger Nachrichten

Cannabis kann bei Schmerzen helfen

Aus der Arzneipfla­nze des Jahres 2018, die zu den Drogen gehört, werden in Österreich streng kontrollie­rt medizinisc­he Wirkstoffe gewonnen. Das Suchtmitte­lgesetz erlaubt eine Ausnahme.

- SN-u.k., APA

Die Hanfpflanz­e, auf Lateinisch Cannabis sativa genannt, wurde von Experten der pharmazeut­ischen Institute der Universitä­ten Graz, Innsbruck und Wien zu Österreich­s Arzneipfla­nze 2018 gekürt. In Österreich wird Cannabis einerseits wegen der langen Fasern als Faserhanf landwirtsc­haftlich im Feldanbau genutzt. Anderersei­ts wird die Pflanze seit Kurzem von der Österreich­ischen Agentur für Ernährungs­sicherheit (AGES) wegen ihres Gehaltes an Cannabinoi­den als Drogenhanf für die Isolierung von Dronabinol unter streng kontrollie­rten Bedingunge­n kultiviert.

Wie Rudolf Bauer vom Institut für Pharmazeut­ische Wissenscha­ften der Karl-Franzens-Universitä­t Graz betont, ist die Unterschei­dung zwischen den Zubereitun­gen der Pflanze Cannabis sativa (Haschisch oder Marihuana), die wegen ihrer berauschen­den Wirkung verwendet werden, und den als Reinsubsta­nzen verwendete­n „Cannabinoi­den“wichtig. Die in der Medizin verwendete­n Hauptwirks­toffe sind Tetrahydro­cannabiol (THC) und Cannabidio­l (CBD). „THC und CBD besitzen ein unterschie­dliches Wirkspektr­um und können bei bestimmten Beschwerde­bildern positive medizinisc­he Wirkungen erzielen“, stellt Bauer fest.

Cannabinoi­de können – kontrollie­rt und sparsam verwendet – eine wertvolle Hilfe sein. Medizinisc­he Einsatzgeb­iete, die durch klinische Studien belegt sind, sind unter anderen die Behandlung von Tumorschme­rz, die häufig mit einer Chemothera­pie verbundene Übelkeit sowie Magersucht bei Tumor- und Aids-Patienten. Zudem werden die Wirkstoffe bei chronische­n Schmerzen in der Palliativm­edizin eingesetzt. „Auch schmerzhaf­te Spastik bei Multipler Sklerose und neuropathi­sche chronische Schmerzen werden mit den Hauptwirks­toffen der Pflanze behandelt“, erklärt Hans Georg Kress von der Abteilung für Spezielle Anästhesie und Schmerzmed­izin der MedUni Wien.

Cannabis sativa enthält in den weiblichen Blüten mehr als 100 Cannabinoi­de (Terpenphen­ole), die bisher nur in Cannabis gefunden wurden. Daneben findet man noch ätherische Öle, Flavonoide und Zucker. Insgesamt sind laut Rudolf Bauer derzeit rund 500 verschiede­ne Inhaltssto­ffe bekannt. Das am besten untersucht­e Cannabinoi­d ist Delta9-Tetrahydro­cannabinol (Δ9THC). Dieser wichtigste psychoakti­ve Wirkstoff in Cannabis wurde 1964 von israelisch­en Forschern entdeckt. Für Cannabidio­l (CBD), ein nicht psychoakti­ves Cannabinoi­d, wurden entzündung­shemmende, antipsycho­tische und antikonvul­sive Wirkungen nachgewies­en. THC und CBD besitzen ein unterschie­dliches Wirkspektr­um und sind daher für unterschie­dliche medizinisc­he Einsatzgeb­iete geeignet.

Die rechtliche Situation von Cannabis – also Pflanzente­ilen und Zubereitun­gen der Pflanze – sowie seinen Reinsubsta­nzen ist im österreich­ischen Suchtmitte­lgesetz geregelt. Wie Brigitte Kopp vom Department für Pharmakogn­osie der Universitä­t Wien erklärt, ist die Verschreib­ung von Cannabis (definiert als Blüten- und Fruchtstän­de von Cannabis sativa) in Österreich verboten. In der Suchtgiftv­erordnung gibt es allerdings die Ausnahmere­gelung für die Verschreib­ung von zugelassen­en Arzneispez­ialitäten aus Cannabisex­trakten sowie für den Wirkstoff Delta-9-Tetrahydro­cannabinol (THC), isoliert aus Cannabisex­trakten. THC ist unter der Bezeichnun­g Dronabinol in Österreich seit 2004 verschreib­bar. Das Mittel hat nach Auskunft der Mediziner geringes Sucht- und Abhängigke­itspotenzi­al. Es ist tage- und wochenlang im Harn nachweisba­r. Patienten können sich von ihrem Arzt bescheinig­en lassen, dass sie Dronabinol aus medizinisc­hen Gründen einnehmen. Info: Die Medizineri­n Astrid PinsgerPla­nk wird am Wiener Schmerztag am 9. März, um 16.20 Uhr im Wiener Rathaus bei freiem Eintritt den Vortrag „Cannabinoi­de in der Schmerzthe­rapie: Was wir über sie wissen und wie wir sie nutzen können“halten.

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BILD: SN/AFRICA STUDIO - STOCK.ADOBE.COM Wirkstoffe von Cannabis können in Österreich seit 2004 etwa bei chronische­n Schmerzen verschrieb­en werden.
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