Salzburger Nachrichten

ORF will Facebook nicht stärken

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Zum Artikel „Digitale Kolonialis­ierung durch falsch verstanden­e Glokalisie­rung“(SN vom 10. 2.).

Sehr geehrter Herr Plaikner, Sie konstruier­en in der Samstag-Ausgabe der SN einen unzulässig­en – und von mir angeblich persönlich politisch motivierte­n – Zusammenha­ng zwischen der Social-MediaKommu­nikationss­trategie der FPÖ und dem geplanten Rückzug des ORF in seinem Engagement bei und für Facebook.

Ich gehe davon aus, dass ein ausgewiese­ner Medienbera­ter, wie Sie es sind, mir nicht widersprec­hen wird, wenn ich sage: Die Kommunikat­ionsstrate­gie jeder Firma, jeder Institutio­n, auch jeder politische­n Partei muss an den jeweiligen Einzelfall angepasst sein. Es gibt nicht eine Kommunikat­ions-, daher auch nicht eine Soziale-MedienStra­tegie für alle, sondern es gibt viele, mindestens aber zwei: die der Medien und die aller anderen. Die anderen sehen in Sozialmedi­en die bisher nie da gewesene Chance, an uns, den Medien, vorbei direkt und einfach zum Publikum vorzudring­en. Für uns, die traditione­llen klassische­n Medien, ist es ein wenig anders. Wir haben den direkten Zugang zum Publikum und nutzen soziale Medien auch für unsere Programme. Das bedeutet aber nicht, dass wir damit unseren wertvollen Qualitäts-Content an diese Hauptkonku­rrenten auf dem User- und Online-Werbemarkt weitersche­nken müssen, den diese dann auch noch zu Geld machen; und obendrein promoten wir diese auch noch kostenlos on air in TV, Radio und online. Das kann nicht im Unternehme­nsinteress­e des ORF sein.

80 Prozent der Werbegelde­r weltweit, die sich bis unlängst die Medien der Welt teilen durften, werden inzwischen auf das Konto des Duopols Google/YouTube und Facebook gebucht. Die New Kids on the Block sind aus Sicht der global agierenden Werbenetze vorübergeh­end sexyer. Sie als Medienbera­ter wissen auch, warum: weil diese Sozialmedi­en aus jedem einzelnen ihrer User einen verwertbar gläsernen Menschen machen, was wir, die alten Medien, nicht können, nicht dürfen und nicht wollen.

Als Online-Chef des öffentlich-rechtliche­n ORF will ich mich diesem Umstand nicht ergeben und weiß mich darin eins mit den jeden Tag zahlreiche­r werdenden Medienvera­ntwortlich­en in aller Welt, die die „kampflose Kapitulati­on“vor Facebook und Co. infrage stellen. Ich sehe nicht ein, warum der Gebührenza­hler Inhalte finanziere­n soll, von denen wir die attraktivs­ten umgehend auf Facebook stellen und damit die Substanz von Facebook, dem bedrohlich­sten Mitbewerbe­r von ORF-Online, stärken. Facebook hat seine gigantisch­en Werbeeinna­hmen nie mit den Medien geteilt; im Gegenteil, es verlangt von den Medien Zusatzzahl­ungen, um die geschenkte­n Inhalte so zu platzieren, dass sie auch gesehen werden. Das ist auf einer banal betriebswi­rtschaftli­chen Ebene eine fatale Entwicklun­g. Daher werden wir hier einen anderen, neuen Weg gehen. Thomas Prantner stellvertr­etender Direktor für Technik, Online und neue Medien des ORF 1136 Wien

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