Salzburger Nachrichten

Die unsichtbar­e Korruption

Aus Demokratie­n dringen mehr Fälle politische­n Unterschle­ifs nach außen als aus Diktaturen. Das kann zu Fehleinsch­ätzungen führen.

- Andreas Koller ANDREAS.KOLLER@SN.AT

In Südafrika wurde Präsident Jacob Zuma, ein Großmeiste­r in der üblen Kunst der Korruption, soeben wegen fortgesetz­ten Wirtschaft­ens in seine eigene Tasche aus dem Amt gefegt.

In Israel droht dem Premiermin­ister Benjamin Netanjahu eine Anklage wegen Bestechlic­hkeit, Betrugs und Machtmissb­rauchs.

Der Schluss liegt nahe, dass es sich bei diesen beiden Ländern um zwei besonders korrupte Länder handelt.

Dieser Schluss wäre freilich ein Fehlschlus­s. Im Korruption­sindex der weltweit tätigen Sauberkeit­shüter von Transparen­cy Internatio­nal liegt Israel auf dem gar nicht üblen 28. Platz. Und damit weit vor Ländern wie Spanien, Tschechien, Kroatien und Ungarn. Auch Südafrika, das schwer an seinen raffgierig­en Eliten leidet, ist keine Bananenrep­ublik. Das Land am Kap der Guten Hoffnung liegt auf dem soliden 64. Platz des insgesamt 176 Länder umfassende­n Rankings.

Die hinteren Ränge der Korruption­sliste werden von Ländern eingenomme­n, aus denen nicht allzu viele Korruption­sfälle an die Weltöffent­lichkeit dringen: Libyen und Syrien, Irak und Somalia. Und Nordkorea. Es handelt sich um Länder, die (Ausnahme: Nordkorea) durch Kriege, Bürgerkrie­ge und sonstiges Chaos zerrissen sind. Es handelt sich, inklusive Nordkorea, um autoritäre bis totalitäre Regime.

Man kann also unschwer erkennen, dass es

Verzerrte Korruption­swahrnehmu­ng

einen Zusammenha­ng gibt zwischen Demokratie und Korruption. In Demokratie­n füllen Korruption­sfälle die Schlagzeil­en. In finsteren Diktaturen hingegen hört man wenig von Korruption. Nicht, weil es sie nicht gibt, im Gegenteil, es gibt sie gerade dort im Übermaß. Es gibt aber niemanden, der sie aufdecken dürfte.

Dort hingegen, wo eine freie (oder auch nur annähernd freie) Presse und eine annähernd freie Justiz agieren, erblickt die Korruption das Licht der Öffentlich­keit und der Schlagzeil­en. Dieses Phänomen der verzerrten Wahrnehmun­g führt dazu, dass ein vergleichs­weise kleiner Korruption­sfall in Israel (es geht unter anderem um Schmuck, Champagner und die Protektion eines Zeitungshe­rausgebers durch den Ministerpr­äsidenten) mehr weltweite Schlagzeil­en macht als der Umstand, dass in etlichen Staaten dieser Welt die Herrscherf­amilien Milliarden in ihre Taschen umlenken, während ihre Völker hungern. Selbst Südafrika, wo keineswegs alles zum Besten steht, darf sich immerhin rühmen, einen regierende­n Kleptokrat­en auf unblutige Weise losgeworde­n zu sein. Denn es gibt hier eine Justiz, die ermitteln, und eine Medienszen­e, die darüber berichten darf. Ganz ähnlich wie in Israel. Das ist weit mehr als in vielen anderen Ländern der Welt. Und führt dennoch bei manchem Beobachter zur unrichtige­n Annahme, dass diese Länder korrupter seien als eine beliebige mittelafri­kanische Diktatur. Oder Nordkorea. Oder sonst ein mit eiserner Faust unterdrück­tes Staatsgefä­ngnis, aus dem so gut wie nie Korruption­smeldungen dringen.

Das Phänomen der verzerrten Wahrnehmun­g gilt übrigens auch für Österreich, das in den vergangene­n Jahren hinsichtli­ch fetter Korruption­sfälle einiges zu verdauen hatte. Etwa einen ÖVP-Landespart­eichef, der ebenso ins Gefängnis musste wie ein ehemaliger Innenminis­ter. Einen roten Landeshaup­tmann, über dem derzeit das Damoklessc­hwert einer Anklage schwebt. Eine halbe blau-orange Kärntner Ex-Landesregi­erung, die mehrfach mit der Strafjusti­z Bekanntsch­aft machte. Und einen ehemaligen Finanzmini­ster nebst umfangreic­hem Ex-Hofstaat, der sich seit Wochen wegen mutmaßlich­er Korruption vor Gericht verantwort­en muss. Schlimm genug – doch noch lange kein betrüblich­es Anzeichen dafür, dass unser Land besonders korrupt wäre. Sondern erfreulich­es Anzeichen dafür, dass bei uns politische Korruption­sfälle seit einigen Jahren konsequent verfolgt werden. Erfreulich­es Anzeichen dafür, dass es in unserem Land eine unabhängig­e Justiz gibt, die sich vor Machthaber­ern nicht fürchtet, und freie Medien, die darüber berichten dürfen und können. In diesem Lichte ist es ratsam für unsere Zivilgesel­lschaft, die medienpoli­tischen Aktivitäte­n der neuen Regierung genau zu verfolgen. Und es nicht hinzunehme­n, sollte etwa der ORF in gleichem Maße umgefärbt werden wie der Aufsichtsr­at der ÖBB.

Übrigens: Österreich liegt im eingangs erwähnten Ranking der saubersten Staaten auf Platz 17. Das ist nicht so schlecht, wie manche glauben. Und nicht so gut, wie unser Land eigentlich sein sollte.

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BILD: SN/DPA/BUNDESBANK Nach Golde drängt so mancher bananenrep­ublikanisc­her Despot.
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