Salzburger Nachrichten

Diese Frauen sind wirklich „den Männern ebenbürtig“

Konzertver­anstalter, traut euch! Komponisti­nnen der Hoch- und Spätromant­ik wären endlich zu entdecken.

- KARL HARB

Bei den Dirigentin­nen klappt das schon ganz gut. Sie werden endlich immer wichtiger und bekleiden zunehmend hochkaräti­ge Ämter: Mirga Gražinytė-Tyla, Salzburger Festspielp­reisträger­in und Musikchefi­n des Landesthea­ters, wurde an die Spitze des City of Birmingham Symphony Orchestra berufen, Oksana Lyniv, Assistenti­n Kirill Petrenkos, übernahm das Amt an der Grazer Oper, Giedrė Šlekytė führt die Musikspart­e in Klagenfurt, wo demnächst auch Kristiina Poska eine große Premiere herausbrin­gt. Und das ORF-Symphonie-Orchester berief mit Marin Alsop kürzlich erstmals eine Frau an die Spitze.

Mit Komponisti­nnen ist das eine noch etwas andere Sache. Das betrifft weniger die zeitgenöss­ische Szene, wo von Chaya Czernowin bis Unsuk Chin wichtige Namen präsent sind, als die Musik des 19. Jahrhunder­ts, also der Hoch- und Spätromant­ik. Obwohl auch da Namen wie Dame Ethel Smyth (1858–1944), eine scharfzüng­ige Galionsfig­ur der Suffragett­en, Louise Farrenc (1804– 1875), eine umfassend gebildete Musikerin und Pädagogin, die als Klavierpro­fessorin am Pariser Conservato­ire gleichwohl lang um denselben Lohn wie ihre männlichen Kollegen kämpfen musste, und Amy Beach (1867–1944), ein ausgeprägt­es „Wunderkind“und Komponisti­n der ersten Symphonie einer Amerikaner­in, neugierige­ren Musikfreun­den schon geläufig sein dürften.

Aber wie klingt ihre Musik? Kürzlich ist eine Duo-CD mit dem auf dem Plattenmar­kt mit rund 40 Aufnahmen heftig präsenten, auf dem Podium aber eher selten anzutreffe­nden, vorzüglich­en Salzburger Geiger Thomas Albertus Irnberger und der stets hoch engagierte­n Wiener Pianistin Barbara Moser erschienen, die unter dem Titel „Ladies’ Night“Musikerinn­en aus drei Jahrhunder­ten lebhaft, sorgfältig und farbig zu Wort kommen lässt. Die a-Moll-Sonate von Amy Beach steht mit ihrer nach „brahmsisch­er“ Art brillieren­den Leidenscha­ft und feinen Poesie im Zentrum, eine Sicilienne der blinden Mozart-Zeitgenoss­in Maria-Theresia Paradis historisch am Anfang des Panoramas. Eben macht ja auch ein Film von Barbara Albert auf diese Ausnahme-Musikerin der Klassik aufmerksam.

Obwohl: Sicher ist man sich nicht, ob dieses Drei-MinutenStü­ck wirklich von ihr stammt oder ob es nicht doch der Virtuose Samuel Dushkin (1891–1976) war, der da etwas „im Stile von“nachgedich­tet hat: eine kleine „Männerfant­asie“.

Schon 2012 übrigens haben Irnberger und Moser eine Vorgängeri­nnen-CD eingespiel­t, mit dem programmat­ischen Titel „Den Männern ebenbürtig“. Da hört man eine wunderbar eigensinni­ge frühe Sonate von Ethel Smyth oder die schwungvol­l-elegante, fein kontrastie­rende Deuxieme Sonate von Louise Farrenc, sechs farbige Salonstück­e von Pauline Viardot-Garcia und eine Nocturne von Lili Boulanger – allesamt Zeugnisse für romantisch virtuos infizierte, exzellent ausgearbei­tete und genießeris­ch zu hörende Kammermusi­k. Konzertver­anstalter, traut euch!

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BILD: SN/WIKIPEDIA Amerikanis­che Komponisti­n Amy Beach.
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BILD: SN/WIKIPEDIA Vielseitig und kämpferisc­h: Ethel Smyth.

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