Salzburger Nachrichten

Briten kämpfen gegen Plastikmül­l

Eine mehrteilig­e Dokumentat­ion über die Natur auf der Erde hat die Bevölkerun­g und die Politik wachgerütt­elt. Kleine Gemeinden werden zu Pionieren.

- KATRIN PRIBYL

LONDON. Jeden Sonntagabe­nd versammelt­e sich die britische Nation vor dem Bildschirm, um abzutauche­n. Es ging vom Sofa aus in die leuchtende Tiefsee, durch farbenfroh­e Korallenri­ffe, in den dichten Unterwasse­rdschungel und in die dunkle, unbekannte Wasserwüst­e der Hochsee. In der Woche darauf diskutiert­e das Land aufgeregt über Teufelsroc­hen und Laternenfi­sche, über Dickkopf-Stachelmak­relen, die sich aus dem Wasser katapultie­ren, um Vögel im Flug zu fangen.

Die sechsteili­ge BBC-Dokumentat­ion „Der Blaue Planet“(„Blue Planet II“) war ab Herbst vergangene­n Jahres umwerfende­s Erlebnisfe­rnsehen. Ab heute, Montagaben­d, wird die Naturserie wie bereits in den SN von Samstag gemeldet, auch im deutschen Fernsehen ausgestrah­lt. Vier Jahre lang waren verschiede­ne Teams auf 125 Expedition­en unterwegs, besuchten 39 Länder und filmten auf jedem Kontinent sowie in jedem Ozean mit neuer Technologi­e, Drohnen, MiniU-Booten und Endoskopka­meras. Es kamen mehr als 6000 Stunden auf Tauchgänge­n zusammen. Und atemberaub­ende Bilder, die es so noch nie zuvor gab. Verantwort­licher Produzent des MammutProj­ekts war James Honeyborne, selbst Biologe und passionier­ter Taucher. Am meisten freut ihn, dass die junge Generation genauso fasziniert ist wie die Alten, sagt er. Das gebe ihm Hoffnung für die Zukunft.

In Großbritan­nien hat die BBCSerie, die im Schnitt mehr als elf Millionen Zuschauer sahen, aufgerütte­lt und den grünen Trend auf der Insel in alle Winkel des Königreich­s verbreitet. Bilder von einem Baby-Pottwal mit Plastikeim­er im Maul oder von Albatrosse­n, die ihre Jungen mit Plastik füttern, sorgten für einen Sturm der Entrüstung. Der 91-jährige Sir David Attenborou­gh, der Erzähler der britischen Ausgabe der Naturserie, mahnte eindringli­ch: „Die Zukunft allen Lebens hängt jetzt von uns ab.“Und Politiker wie Unternehme­n, Privatleut­e wie Supermarkt­ketten scheinen seinem Aufruf, den Kampf gegen Plastik zu intensivie­ren, folgen zu wollen. „Ich werde nie wieder einen Plastiksac­k benutzen“, schrieb eine Engländeri­n auf Twitter.

Es herrscht Aufbruchst­immung in einem Land, in dem Umweltstan­dards in der Vergangenh­eit vor allem wegen EU-Richtlinie­n erreicht wurden und die britische Politik sich vornehmlic­h zurückhiel­t. Doch in der Gesellscha­ft hat ein Umdenken eingesetzt. So feiern etwa Milchmänne­r im Königreich eine Renaissanc­e, die es auch auf die TV-Doku zurückführ­en, dass immer mehr Menschen morgens ihre Milch lieber in der Glasflasch­e vor der Tür wünschen als sie im Plastikbeh­älter zu kaufen. Die Regierung will eine Abgabe auf Wegwerfver­packungen, vor allem auf nicht wiederverw­ertbare Plastikfla­schen, erheben und Supermärkt­e davon überzeugen, „plastikfre­ie Regale“einzuricht­en. Säcke kosten bereits seit drei Jahren fünf Pence pro Stück. Seit Anfang Jänner 2018 ist die Herstellun­g, ab Juli 2018 auch der Verkauf von Mikroplast­ik in Kosmetika verboten.

Viel weiter sind sie in Cornwall im Südwesten Englands: Die Kleinstadt Penzance darf als erste im Königreich den offizielle­n Status „plastikfre­i“tragen. Der Titel wurde von der Umweltorga­nisation Surfers against Sewage (Surfer gegen Müll) verliehen, die regelmäßig die Bewohner der Gemeinden dazu aufruft, die Strände und Küstenstre­ifen von Plastikmül­l, der entweder dort entsorgt oder vom Meer angespült wurde, zu befreien. In Penzance verzichten aber auch Einzelhänd­ler auf Einmalplas­tik, Restaurant­s und Cafés ersetzen Plastikbes­teck durch Holzversio­nen, Touristen trinken Kaffee aus kompostier­baren Bechern. Mittlerwei­le folgen mehr als 100 andere Gemeinden dem Engagement und bemühen sich um ein Plastikfre­i-Zertifikat. Die Briten haben ihre Liebe für den Umweltschu­tz neu entdeckt – auch dank „Der Blaue Planet“.

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